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Betroffenheit

  • Donnerstag, 7. Dezember 2006 @ 21:26
von Karl Gugler, AHS-Lehrer

Das Schuljahr schreitet voran, das Semesterende naht und der Elternsprechtag ist lange vorbei. Vielleicht waren auch Sie, geschätzte/r Leser/in, zu einer derartigen Veranstaltung (ein)geladen worden.Sagen wir, Ihr Kind sei gerade 13, 14 oder 15 Jahre alt. Die Zeit davor mit ihm war irgendwie freier von Sorgen. Ihr Knirps brachte brauchbare Noten mit nach Hause und Sie freuten sich mit ihm darüber. Aber jetzt ist plötzlich alles anders. Ein/e Lehrer/in hat Ihnen offenbart, dass ihr/e Kleine/r nur noch stört, bei jedem Radau dabei ist und bei den Schularbeiten nur noch schlechte Ergebnisse erzielt. Und vielleicht hat er/sie auch noch die fällige Unterschrift gefälscht. Sie sind perplex - so etwas hätten Sie von Ihrem Kind nicht erwartet. Es gibt Streit, heftige oder patzige Antworten oder auch Verzweiflung mit Tränen und dem Versprechen, in nächster Zeit alles besser machen zu wollen.

Sie werden es sich schon selbst gedacht haben: "Mein Kind pubertiert!" Das ist keine Krankheit. Aber ich muss Sie enttäuschen: "Pubertieren in der Schule kann Ihnen Schaden zufügen!" Die vielen anderen Dinge fernab des schulischen Lerngeschehens können einem nun als Schüler/in sehr schnell in die Gefährdungszone bringen, auch wenn sie vom aufkeimenden Erwachsenen-Ich so zwingend eingefordert werden. Und wenn sie nicht Folge einer Krankheit sind, dann gibt es auch kein Heilmittel. Was soll auch schlimm daran sein, dass man als Bub den Mädels imponieren möchte und vice versa, geschehe es auch auf noch so tollpatschige Art und Weise.

Berüchtigt sind sie, die Klassen mit den 13-, 14- und 15-jährigen, bei den Lehrer/innen. Manch eine/r würde es am liebsten vermeiden, in solche Klassen zum Unterrichten geschickt zu werden, was aber nur selten gelingt.

Ginge es in der Schule wirklich darum, Ihre Kinder zum Lebenkönnen zu ermächtigen, wären Klassen dieser Altersgruppen mindestens in 2 Hälften geteilt. Davon ist nicht die Rede. Von 30 auf 25 soll gesenkt werden! Als ob das einen fühlbaren Unterschied ergäbe!

Wenn Sie Ihr Kind nicht ausreichend vorgefördert haben, weil Sie dies etwa nicht vermochten oder keine Zeit hatten oder in der Zeit, die Sie hatten, zu müde waren, wird es gefährlich. Lehrer/innen ärgern sich jetzt über auffällige Schüler/innen ganz besonders. Der Ton wird ruppig - auf beiden Seiten. In den Lehrerzimmern tauschen die Unterrichtenden Informationen darüber aus, wie schlecht und unbrauchbar die letzte Leistung der Schülerin A oder des Schülers B im jeweiligen Fach war. Das geschieht wohl auch als Rückversicherung ("meinst du nicht auch, dass ...") für das Vorhaben, A oder B durchfallen zu lassen - oder zumindest, um Betroffenheit zu heucheln.

Ob glaubwürdig oder nicht: selbst für manche Lehrer/innen ist es nicht angenehm, die Selektion zu vollstrecken, weil mit Gegenwehr zu rechnen ist, logischer- und berechtigterweise. Nur auf die Idee, diese Selektionsfunktion etwas weniger ernst zu nehmen, kommen sie nicht. Die Aberkennung der Berechtigung auf weitere Chancen zum Zugang zu schönen Berufen mit angenehmen Arbeitsinhalten und hohen Einkommen obendrein soll hierzulande aber schon rechtlich einwandfrei zustande kommen.

Ich erlaube mir hiermit, Ihnen Hilfe anzubieten. Schreiben Sie mir eine Nachricht an schulprobleme@kpoe.at wenn Sie - oder vielmehr Ihre/n Tochter/Sohn - da der Schuh drückt! Herzlichst Karl Gugler