Willkommen bei KAKTUS - Online / KPÖ-Donaustadt 

Eine notwendige Aussprache...

  • Samstag, 20. April 2024 @ 09:16
Seestadt Aspern war die Bürger_innenversammlung am 9.04.2024 in der Seestadt


Moderiert von Stadtplanerin Daniela Allmeier, Geschäftsführerin von Raumposition OG, ging in der Kulturgarage in der Seestadt eine Bürger_innenversammlung zu Begrünungsmaßnahmen im Pionierquartier – dem ersten besiedelten Teil der Seestadt – über die Bühne.

Gekommen waren mehrere hundert Menschen, denen die Verbesserung ihrer Lebensumwelt ein Anliegen ist. Ebenso anwesend waren Vertreter_innen der Grünen und der ÖVP, die den Antrag auf Abhaltung dieser Bürger_innenversammlung eingebracht hatten. Aus der KPÖ-Donaustadt nahm Hilde Grammel (Bewohnerin der Seestadt) teil. Damit wurde das Anliegen des Vereins SeeStadtgrün aufgegriffen, der sich seit Jahren in Sachen Nach-Begrünung engagiert und zuletzt mit einer Petition, im Gemeinderat Unterstützung fand.

Das Anliegen kann nur in einem Miteinander realisiert werden. Das Gesprächsklima war deshalb konstruktiv. Dazu trug auch bei, dass die FPÖ nicht beteiligt war, hetzerische Wortmeldungen also im Großen und Ganzen unterblieben.

Auf einem auf Dauerdurchlauf gestellten Monitor wurden den Bürger_innen Eindrücke von der „ohnehin schon allseits grünen Seestadt“ vermittelt.

Dem entgegen hat der Verein SeeStadtgrün bereits im Vorfeld eine Analyse der Straßenoberflächen inklusive Oberflächentemperaturen samt Lösungs- und Finanzierungsvorschlägen erarbeitet, die auf einem Flyer mit dem Titel „Das vergessenen Grün der Seestadt“ und bereits vor der Bürger_innenversammlung im Netz (www.seestadtgruen.at) veröffentlicht wurden,

Die Sicht des Bezirksvorstehers, der Stadtteilentwickungtsgesellschaft Wien 3420 und der Stadt Wien

Den Bürger_innen gegenüber standen Ernst Nevrivy (Bezirksvorsteher), Robert Grüneis (Vorstand der Wien 3420 aspern Stadtteil-Entwicklungs-AG) und Andreas Trisko (im Geschäftsbereich Bauten und Technik der Magistratsdirektion der Stadt Wien für Kreislaufwirtschaft, Klimaschutz, Klimawandel- und -anpassung zuständig).

Nevrivy verwies in seinem Einleitungsstatement darauf, dass ein Viertel der Fläche der Seestadt Grünfläche sei, die Donaustadt, über 60% grüne Freiflächen und über 105 Park- und Grünanlagen verfüge. Er müsse für eine „faire Verteilung der Budgetmittel im ganzen Bezirk" sorgen. In die Seestadt seien bereits überproportional viele Ressourcen geflossen.

Grüneis erwähnte, dass zur Stadtentwicklung mehr gehöre als nur Grünraumgestaltung, nämlich Verkehr und Mobilität, ebenso die Logistik für die Warenzustellung in die Geschäfte in den Sockelzonen, Gesundheitsversorgung, Schulen und Kindergärten. Die Wege des öffentlichen Raums sollen begehbar und ebenso von den Anrainer_innen und . den Geschäftsleuten, nutzbar sein.. Demnach seien viele Interessen zu berücksichtigen, man bemühe sich aber, die Ideen der Bürger_innen aufzugreifen und „mit allen zu kooperieren". Außerdem sei man lernbereit und wolle Fehler, die im Pionierviertel gemacht wurden, vermeiden.

Trisko gab zu bedenken, dass Wien in den letzten 25 Jahren einen Einwohner_innen-Zuwachs von 425.000 Personen zu verzeichnen hatte, was einem Wachstum von eineinhalb Mal der Größe der Stadt Graz entspricht. Die Donaustadt sei in der Lage , einen Teil dieses Wachstums aufzufangen. Der Fokus, bei den klimapolitischen Maßnahmen liege auf der Entwicklung der noch unverbauten Flächen der Seestadt, ein Nachbessern im Pionierviertel sei nicht mehr möglich. Die Bewohner_innen mögen sich daher bitte „in Geduld üben", schließlich stecke „die Seestadt noch in den Kinderschuhen".


Die Anliegen der Bürger_innen

Von den Bürger_innen kamen folgende Vorschläge und Kritikpunkte:
  • Man wünscht sich weniger bürokratische Hürden und schnellere Genehmigungen, etwa, wenn es um die Umsetzung von Baumscheibenbegrünungen geht, die Schulkinder durch Zeitungsverkauf finanzieren; Wildblumenwiesen seien mit relativ geringen Kosten zu realisieren und würden zu einer spürbaren Verbesserung des Mikroklimas beitragen.
  • Wenn man 700 Mio. Euro für die Stadtstraße zur Verfügung hat, kann es doch nicht so schwer sein, ein paar Hunderttausend Euro für Begrünungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Politik sei verantwortlich, für Beschattung zu sorgen und benutzbaren Lebensraum zu schaffen – es ginge nicht an, dass Familien mit Kindern monatelang den öffentlichen Raum tagsüber nicht benützen können.
  • Der Maria-Trapp-Platz, der nur drei Tage im Jahr bespielt wird, nämlich, wenn Kirtag ist, soll nicht das ganze restliche Jahr über eine öde Betonfläche bleiben. Es braucht mehr beschattete Gehwege und Spielplätze.
  • Die Frage wurde aufgeworfen, wer die Jury bestellt hat, die die Zu-Asphaltierung der öffentlichen Flächen im Seeparkquartier prämiert hat und wer letztlich die Haftung dafür trägt, dass die Gestaltung mit Steuergeld nachgebessert werden musste.
  • Der Staub im Pionierviertel werde besonders im Sommer vom Wind vertragen, worunter besonders Kinder leiden. Um die Bäume herum könnte der Boden gelockert und das Wachstum von Gras und Blumen erlaubt werden.
Voneinander lernen

Die Herren an den Stehtischen warteten mit folgenden Informationen auf:
  • Unter den Straßen sind befinden sich Wasser-, Strom- und Telefonleitungen, was die Möglichkeiten der Begrünung einschränke.
  • Statistisch gesehen würden von den 240 ha der Seestadt 120 verbaut, 45% seien Grünfläche, was aber nicht heißen solle, dass es nicht stellenweise anders sei. Wenige Städte auf der Welt verfügen über einen derart hohen Grünanteil.
  • Die € 33 Mio. Bezirksbudget müssten für die ganze Donaustadt reichen, davon würden € 3,98 Mio. (12%) pro Jahr für die Anlage von Grünflächen, € 1 Mio. für deren Pflege ausgegeben. Alleine die Nachbegrünung des Simone-de-Beauvoir-Platzes hätte € 1 Mio. gekostet, wovon 80% von der Stadt Wien übernommen worden seien. Laut Vorgaben der MA 42 ist für die Grünflächen automatische Bewässerung notwendig, die hohen Kosten erklären sich aber zum Teil auch durch die erforderlichen Umrandungen für die Staudenbeete. In der Seestadt gäbe es 1.700 Bäume und acht Park- / Grünanlagen.
  • Zu den „wassergebundenen Decken", die in Kritik geraten sind, weil sie die 8000 m² ausmachen, die im Pionierviertel laut Plan Grünfläche sein sollten, war zu erfahren, dass sie eine Alternative zwischen Zubetonieren und Begrünen darstellen würden, denn Rasen verschwinde, wenn zu viele Menschen ihn benutzen. Diese Decken dienen der Befestigung der Fläche und machen sie benutzbar, auch konnten viele Bäume auf ihr gepflanzt werden. Die Bäume müssten allerdings erst ihre Kronen entwickeln, um ihr volles Potential eines 40-50%igen Überschirmungsgrads zu entfalten. Ein weiterer Vorteil dieser Decken, bestehend aus Split und Feinsand, sei ihre Kapazität zur Aufnahme von Niederschlagswasser.
  • Als sinnvolle Aufgabe für den Verein SeeStadtgrün wurde das „Monitoring des Wachstums der Bäume der Seestadt" genannt, d.h. der Verein könnte ein wachsames Auge auf die Bäume werfen und überprüfen, welche gut gedeihen und welche nicht. Stadtplaner_innen können ja nicht so gut einschätzen, wo auf den wassergebundenen Decken ein Beet günstig oder ungünstig wäre wie Bewohner_innen vor Ort, die wissen, wo Menschen Durchquerungsmöglichkeit brauchen.
Es geht um mehr als nur Verschönerung

Es soll mehrere Nachfolgetreffen in kleineren Runden, u.a. mit dem Bezirksvorsteher und anderen Entscheidungsträgern geben, wurde versprochen. Dabei solle es um die Erarbeitung leicht umsetzbarer und wenig kostspieliger Begrünungsmaßnahmen gehen.

Das ist gut so, denn am 9.4.2024, dem selben Tag, an dem die Bürger_innenversammlung abgehalten wurde, erging ein richtungweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), das bald auch in Österreich zum Tragen kommen könnte. Eine an die 2.000 Pensionistinnen umfassende Gruppe KlimaSeniorinnen Schweiz hatte die staatliche Schutzpflicht für menschliches Leben (Artikel 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention) aufgrund unterlassener Klimaschutzmaßnahmen für verletzt angesehen und beim EGMR erfolgreich eine Klage eingebracht. In der Klage ging es darum, dass der Schweizer Bundesrat seiner Schutzpflicht für menschliches Leben nicht genügend nachkomme, damit das Pariser Klimaziel von maximal 1,5 Grad Globalerwärmung eingehalten wird. Nachweislich sind ältere Menschen die von den Hitzewellen am stärksten betroffene Gruppe, weil ihre Fähigkeit zur Hitzeregulation eingeschränkt ist. Das Risiko an den Folgen der hohen Temperaturen zu sterben ist gerade für ältere Frauen in etwa doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Männern.