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Der soziale Wohnbau am Beispiel der Seestadt

  • Donnerstag, 21. März 2024 @ 10:33
Wohnen
Ein Beitrag von Hilde Grammel

Wir erinnern uns: Die Stadt Wien behauptete, die Stadtstraße wäre nötig, um sozialen Wohnbau zu schaffen und mit Infrastruktur zu versorgen. Dass dies nicht stimmt, zeigt ein genauerer Blick auf die Wiener Wohnbau-Politik am Beispiel der Seestadt.

In der zweiten Bauphase (der Errichtung des Seepark-Quartiers) wurden 700 ausschließlich freifinanzierte Miet- und Eigentumswohnungen errichtet, deren Preise beliebig hoch festgelegt werden durften.

Da rollt der Euro.

Zahlreiche dieser Wohnungen wurden schon kurz nach deren Kauf mit Gewinnspanne weiterverkauft. Andere wurden als Anlegerwohnungen erworben und weitervermietet, wodurch sich die neuen Eigentümer_innen ein zusätzliches Einkommen schaffen.

Dazu kommt, dass auch der Zugang zum geförderten Wohnbau für Haushalte mit geringem Einkommen durch finanzielle Eintrittshürden wie den Finanzierungsbeitrag (auch Eigenmittel oder Baukostenzuschuss genannt) erschwert ist. Wer diesen nicht berappen kann, hat zwar die Möglichkeit, einen herabgesetzten Baukostenzuschuss, dafür aber eine höhere Monatsmiete zu bezahlen.
Resultat: Die Wohnungen sind zu teuer, viele Mieter_innen bleiben auf den Bezug einer Wohnbeihilfe angewiesen oder müssen wieder ausziehen – eine Situation, die sich durch Teuerung und Inflation noch verschärft hat, da Mieten und Energiekosten nicht selten mehr als die Hälfte von Lohn oder Gehalt verschlingen.

Mehr Gemeindebauten neu

Spät aber doch hat die Stadt Wien nach 20 Jahren Pause ihr Gemeindebauprogramm wieder aufgenommen. In der Donaustadt befinden sich aktuell sechs „Gemeindebauten Neu“ (davon einige noch in Bau) mit insgesamt 985 Wohnungen. Im Unterschied zum privaten und auch geförderten Wohnbau bedarf es hier keiner Eigenmittel, man zahlt auch keine Kaution. Das Mietverhältnis ist nicht befristet und die Mieten sind kostengünstiger. Gemessen an der gesamten Bautätigkeit machen diese Wohnungen aber nur einen verschwindend geringen Anteil aus.

Das Verhältnis von öffentlichem und privatem Wohnbau gehört umgedreht: Statt Eigentums- und Anlegerwohnungen und ständig teurer werdenden Mietwohnungen – die Inflation sinkt ja nur langsam – müssen mehr „Gemeindebauten neu“ errichtet werden, in jedem neuen Stadtentwicklungsgebiet mindestens 20%, bei Bedarf auch mehr. In der Seestadt ist ein solcher Prozentsatz noch lange nicht erreicht; dass im gerade im Bau befindlichen „Viertel Seestadt-Nord“ Gemeindewohnungen errichtet würden, ist mir noch nicht zu Ohren gekommen.

Stattdessen gibt es „Filetstücke" mit Seeblick im Eigentum. In der zweiten Reihe dahinter dann geförderte Mietwohnungen, die leider für viele ebenfalls unerschwinglich sind.

Eine solche Richtlinie sollte neben der Seestadt auch für die Stadtentwicklungsgebiete Berresgasse, Süßenbrunn West, Oberes Hausfeld, Am Heidjöchl, Lackenjöchl-Süd und alle weiteren verpflichtend gelten, wobei hinterfragt werden muss, ob 20% wirklich ausreichend sind. Öffentlich zugängliche statistische Daten darüber, wie viele der in den letzten 10-15 Jahren in der Donaustadt errichteten Wohnungen im Eigentum, wie viele im geförderten Wohnbau und wie viele gewöhnliche Hauptmieten sind, fehlen.

Für Eigentumswohnungen sollte die Regel gelten, dass sie auch vom Besitzer_von der Besitzerin bewohnt werden müssen. Auch fehlen öffentlich zugängliche Angaben, wie viele Wohnungen im Bezirk leer stehen. Will man Wohnungsnot und die Verbauung auch der letzten Grünfläche im Bezirk zu Profitzwecken eindämmen, ist eine auf diese Fakten beruhende soziale Wohnbaupolitik notwendig.

Nicht nur temporär geltende Mietobergrenzen

Aktuell verscherbelt die Stadt Wien via geförderten Wohnbau öffentliche Grundstücke immer häufiger an profitorientierte Unternehmen, die den Mieter_innen im Gegenzug eine „soziale Zwischennutzung“ auf zehn Jahre gestatten. Immer seltener wird die Wohnbauförderung nämlich an wirkliche „Genossenschaften“ und immer häufiger an „gemeinnützige Kapitalgesellschaften“ oder gewerbliche, rein private Bauträger vergeben. Diese verpflichten sich im Gegenzug, für zehn Jahre Obergrenzen für Mietpreise einzuhalten. Anschließend dürfen sie bei Neuvermietung beliebig hohe Mieten verlangen. Die Möglichkeit, über öffentliches Grundeigentum langfristig leistbaren Wohnraum abzusichern, wurde damit billig verkauft.

Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz von 1979 war ein geeignetes Instrument, das diesem Zweck diente. Es schrieb gemeinnützigen Bauträgern vor, Mieten anhand ihrer tatsächlichen Kosten für Errichtung und Erhaltung der Gebäude zu berechnen, hätte Gewinnmöglichkeiten beschränkt und Mietpreise dauerhaft günstiger gemacht. Allerdings wurde es 2019 novelliert. Seit damals muss die bereits in den 1990er Jahren eingeführte Kaufoption für gemeinnützige Mietwohnungen schon nach fünf Jahren angeboten werden. Dies führt zu einer konstanten Privatisierung von Wohnraum, der mit Unterstützung durch öffentliche Mittel geschaffen wurde. Allein im Jahr 2020 wurden so knapp 1.300 gemeinnützige Mietwohnungen verkauft, über die Bilanz für die Jahre 2021-23 können nur Vermutungen angestellt werden.