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Zum Thema „Grundstücksspekulationen mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken "

  • Freitag, 16. Februar 2024 @ 19:30
Ein Offener Brief aus der Donaustadt an Bürgermeister Dr. Ludwig

Ein im Standard erschiener Artikel über „Die vergoldete Wiener Gstätten" vom 2. Februar 2024 über ein Spekulationsgeschäft mit einem Grundstück in Neu-Essling hat Mag. Bernhard Spuller - Sprecher der Bürgerinitiative Süßenbrunnerstraße - veranlasst, einen Offenen Brief an Bürgermeister Ludwig zu richten.

Er widerspricht darin der Behauptung des Stadtplanungsdirektors, „die Stadt (habe bei) Grundstückstransaktionen, an welchen die Stadt nicht beteiligt ist,... keine Handhabe, möglicher Spekulation direkt entgegenzuwirken" und setzt sich für wirkungsvolle „Maßnahmen, um die Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken... zu beenden", ein.

Wir dokumentieren für unsere KAKTUS-Leser*innen online und im Wortlaut seinen Offenen Brief.

Betreff: „Keine direkte Handhabe der Stadt Wien gegen Spekulation mit Grundstücken"

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Ludwig!

In diesem offenen Brief appelliere ich an Sie, die Grundstücksspekulationen mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken zu stoppen, da
• Grundstücksspekulation unsozial ist,
• den Wiener Bürgerinnen und Bürgern diese Art von Geschäften nicht verborgen bleibt,
• die jetzigen Fehlentwicklungen schon vor Jahrzehnten von SPÖ Politiker Peter Schieder vorhergesagt wurden,
• es viele gute und geeignete Instrumente gegen Grundstückspekulation gibt,
• die Einbindung von Wissenschaftern und externen Experten effektivere Maßnahmen gewährleistet und
• die Wiener Politik die Aufgabe und Verpflichtung hat, dagegen anzukämpfen um im Sinne der Wienerinnen und Wiener und nicht der Spekulanten zu handeln.

Es ist ein seit langem bekanntes Phänomen und Problem, dass in Wien der Spekulation mit Grundstücken - vor allem mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken - Tür und Tor geöffnet ist.

Ein aktueller Artikel dazu findet sich im Standard:
https://www.derstandard.at/story/3000000205854/die-vergoldete-wiener-gstaetten-21-millionen-euro-wertsteigerung-an-einem-einzigen-tag

Folgende Aussage Ihres Planungsdirektors Dipl.-Ing. Thomas Madreiter in diesem Artikel ist dafür bezeichnend.
„Bei Grundstückstransaktionen, an welchen die Stadt Wien nicht beteiligt ist, hat die Stadt keine Handhabe, möglicher Spekulation direkt entgegenzuwirken."

Diese Aussage erweckt den Eindruck, dass es keine geeigneten Instrumente der Bodenpolitik gegen die im Artikel aufgezeigte Praxis der Grundstücksspekulation gäbe. Das ist unrichtig und der Politik und Entscheidungsträgern natürlich hinlänglich bekannt. Seit vielen Jahrzehnten beschäftigen sich Experten mit Möglichkeiten rechtlicher, raumplanerischer, fiskalischer und sonstiger Art gegen diese Spekulationsentwicklung. Die Auswirkungen solcher Maßnahmen sind vielfältig. Nur bestimmte, offensichtlich unzureichende Maßnahmen werden von der Stadt Wien bisher umgesetzt.

Auf den zweiten Blick offenbart sich daher weniger die Ohnmacht sondern vielmehr die bisherige Willenlosigkeit der politischen Entscheidungsträger, dieser Entwicklung zum Nachteil für alle Wienerinnen und Wiener und vor allem künftiger Generationen hinreichend entgegenzuwirken.

Schon vor mehr als 40 Jahren wurden die nun eingetretenen katastrophalen Auswirkungen der Bodenspekulation von Peter Schieder, in einem Europaratsbericht vorhergesagt:
„Mehr und mehr an die Peripherie zurückweichende Wohnquartiere, Konzentration der Büros, des Handels und der Freizeitaktivitäten in den Stadtzentren, immer höhere Gebäude, Verschwinden der Grünflächen und öffentlichen Plätze, Einfrieren von Grundstücken in Erwartung eines Mehrwerts, der auch nicht ausbleibt, Anstieg der Miet- und Kaufpreise für Wohnungen, etc.“

In diesem Bericht wurden auch Definitionen des Begriffs Grundstücksspekulation angeführt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
„Grundstücksspekulation kann entweder als Grundstückshandel und somit als normales Ergebnis der Marktwirtschaft, oder aber als von Privatinteressen geleiteter, auf Grundstücke bezogener, mit Gewinnstreben und ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl betriebener Vorgang gesehen werden. Zuweilen kann er völlig legitim sein, zuweilen aber muss er als unzulässig, als ein Missbrauch des Besitzrechts, eine wahre Herausforderung an die soziale Gerechtigkeit betrachtet werden.
Als was auch immer man sie betrachtet: Die Bodenspekulation beruht immer auf einem Anstieg der Grundstückspreise, die rasche und hohe Bodenprofite bewirken. Die Begriffe Geschwindigkeit und Höhe sind hier wesentlich, denn es klafft ein Abgrund zwischen Jenen, die Boden ankaufen, um ihn sodann wie eine Ware zu verkaufen und Jenen, die dem Boden - oft durch Generationen - verhaftet sind.“


Weitere Zitierungen bzw. Zusammenfassungen aus diesem gut aufbereiteten und zur damaligen Zeit hervorragend recherchierten Bericht des Europarats habe ich nachfolgend kursiv gesetzt.

Die Entwicklung der Grundstückspreise in Wien ist im Vergleich zum allgemeinen Preisniveau in den letzten Jahrzehnten mehr als spektakulär und wird von Ihnen sicherlich verfolgt. „Diese Differenz erklärt sich aus der Bodenspekulation.“

Das Bevölkerungswachstums Wiens lässt die Nachfrage nach Grundstücken ansteigen. „Bei freiem Spiel der Marktkräfte ergeben sich aber unweigerlich unbegrenzte Profitmöglichkeiten auf dem Grundstücksmarkt; selbstverständlich widerspricht dies den Interessen der Allgemeinheit, welche zu schützen die Politiker und Entscheidungsträger Wiens berufen sind.“

„Mit anderen Worten bildet die Bodenspekulation ein Hindernis auf dem Weg der Verwirklichung sowohl der sozialen wie auch der städtebaulichen oder raumplanerischen Ziele.“


Aus dieser Sicht ist das Eingreifen des „roten“ Wien nicht nur berechtigt sondern unbedingt notwendig.

Zudem greifen in Wien die für den „Bodensektor im Allgemeinen hierarchisch gestaffelten Planungssysteme, in welchen zentralstaatliche Behörden allgemeine Richtlinien für die Bodennutzung herausgeben, Regionalbehörden die Regionalplanung ausarbeiten und Gemeindebehörden, die Lokalpläne aufstellen, nicht ausreichend. Dies deshalb weil Wien sowohl den Status eines Bundeslandes als auch den der größten Gemeinde Österreichs hat und alle Fäden in Ihrer Hand, Herr Bürgermeister, zusammenlaufen. Mit anderen Worten: Sich selbst zu kontrollieren war nie effektiv und zeigt sich auch bei der Grundstücksspekulation.

Nicht zu vergessen - und das ist wohl das Hauptmotiv der Stadt für Ihr diesbezügliches Unterlassen hinreichend effektiver Maßnahmen gegen die Grundstücksspekulation - ist der Umstand, dass sich die Interessen der Entscheidungsträger der Stadt und der Spekulanten sowie Bauträger oft decken. Auch dieser Umstand wurde von Peter Schieder in seinem Bericht als Problem bei Grundstücksspekulationen erkannt. Dazu folgender Hinweis im Bericht: „Das Geheimnis ist der beste Verbündete der Bodenspekulanten, deren Ziel die Realisierung von Mehrwert auf Kosten der Öffentlichkeit oder des Nachbarn ist. Während Magistratsbeamte Bodennutzungspläne ausarbeiten, erwerben die Immobilienhändler Grundstücksmakler, Banken, etc. so diskret wie möglich Grundstücke und schaffen Möglichkeiten zur Verbauung mit Projekten, die sie dann im geeigneten Moment mit dem geeigneten Grad an Öffentlichkeit den Entscheidungsträgern vorlegen. Diese stehen solchen Projekten - genau wie die Verwaltung - mit Wohlwollen gegenüber, versprechen sie doch vor allem eine Förderung der städtischen Entwicklung, zusätzliche Steuern und finanzielle Mittel mit überschaubaren Belastungen für den öffentlichen Haushalt.
Früher oder später werden diese Projekte dann in die Bodennutzungspläne aufgenommen, wodurch die entsprechenden Grundstücke einen oft beträchtlichen Mehrwert erhalten.

Wenn das Geheimnis rund um die getätigten Transaktionen nicht so gut gewahrt würde, dann könnte der Grundstücksmarkt eher gelenkt werden. So aber sind es oft die privaten Transaktionen, die diesen Markt schließlich lenken und die dann folgenden Stadterweiterungspläne den entsprechenden Kalkülen schließlich Legalität verleihen.“


Auf eine von vielen Berichtsmaßnahmen für mehr Transparenz möchte ich noch hinweisen:
„Es dürfte leicht sein, eine einfache Maßnahme, die bereits genügen würde, einzuführen, nämlich in den Stadtverwaltungen sämtliche Grundstückstransaktionen sogleich nach ihrem Abschluss mit Bekanntgabe des Käufers und des Verkäufers und eventuell der finanziellen Bedingungen öffentlich bekanntzumachen. Wenn die Stadtverwaltungen diese Angaben auf eine geographische Karte übertragen, dürfte es sodann den Volksvertretern, den Vereinen und den Bürgern leicht fallen, die Strategien der Spekulanten und die Markttendenzen zu sondieren und in nützlicher Frist entsprechende Interventionen einzuleiten.“

Die aufgezeigten Fehlentwicklungen durch übermäßiges Wachstum und profitorientiertes Denken und Handeln lässt als Leidtragende die Bürgerinnen und Bürger Wiens zurück, denen seit vielen Jahren ein Grünraumverlust, Verlust von hochwertigen Agrarflächen, klimatische Veränderungen mit Hitzeinseln (+ 4 Grad Celsius), Sterben tausender Stadtbäume, Verlust von Ernährungssicherheit, etc. drohen. Unsere regionalen und überregionalen Lebensbedingungen verlangen nach einer Abkehr von dieser Wachstumsideologie. Die Wissenschaft spricht diesbezüglich eine eindeutige Sprache.

„Die unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung an Entscheiden über die Bodennutzung in Form von lokalen Volksbefragungen und öffentliche Umfragen“ wurde als weitere Maßnahme gegen die Spekulation moniert.
Scheinbürgerbeteiligung wie sie Wien derzeit in Form einer bloßen Teilnahme oder Mitwirkung ohne tatsächlicher Einflussnahme auf die Ergebnisse ermöglicht, ist dafür ungeeignet und kein wirklich demokratisches Instrument.

Ergreifen Sie daher endlich die notwendigen Maßnahmen um die Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken, die zumeist auch noch den Schutzstatus Vorrangflächen aufweisen, zu beenden.

Diesem Standpunkt hat sich nun auch Ihr Bundesparteivorsitzender Andreas Babler angeschlossen und einen Experten:innenrat der SPÖ mit der Ausarbeitung von Reformvorschlägen zur Schaffung von mehr leistbarem Wohnraum beauftragt.

Eine echte Beteiligung externer Experten und der Wissenschaft wird angeraten.

Zusätzlich sind auch die EU-Vorgaben zum Klima- und Bodenschutz wie Netto-Null-Flächenverbrauch, die Umwidmung von Grünflächen als Ultima Ratio, die Reduktion von Emissionen, etc. unbedingt zu beachten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Bürgerinnen und Bürgern Wiens bald effektive Maßnahmen gegen die Grundstücksspekulation.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Spuller


Bildquelle: pixabay