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Bauhoffnungsland Donaustadt

  • Donnerstag, 19. Oktober 2023 @ 15:13
Wohnen Ein Casino für Spekulanten.

Wien platzt schon seit längerer Zeit aus allen Nähten. Verschiedene Berechnungen besagen, dass die zwei Millionen Grenze an Einwohnern bereits erreicht ist. Damit spielt Wien in der Oberliga europäischer Städte mit - fast gleichauf mit Paris und Minsk, knapp vor Hamburg und Warschau, das bedeutet den 11. Platz in Europa.

Alleine die Donaustadt ist mit 212.000 Einwohnern bereits größer als Genf, Pamplona, Parma, Augsburg, Sopron und Southhampton, doppelt so groß wie Bozen, sie wäre die bei weitem zweitgrößte Stadt Irlands, die drittgrößte Norwegens und Portugals und die viertgrößte Schwedens. Ganz nebenbei auch der größte Bezirk Wiens. Eine beeindruckende Liste.

Und wir sind weiter am Vormarsch, denn jenseits von Transdanubien gibt es kaum mehr große Baugründe. Als Folge davon haben die Stadtplaner schon seit vielen Jahren ein Auge auf den größten Bezirk Wiens geworfen. Hier besteht zurzeit laut aktuellem Flächenwidmungsplan für grob geschätzt 5,5 Quadratkilometer, die Donaustadt selbst umfasst 102 Quadratkilometer, eine Bausperre. Wird eine Bausperre verhängt, so dürfen keine Bauvorhaben ausgeführt werden.


Der aktuelle Widmungsplan der Gemeinde Wien. Die Verteilung springt sofort ins Auge (Quelle: www.wien.gv.at).

Bevor der aktuelle Flächenwidmungsplan nicht vom Gemeinderat abgesegnet wird, geht prinzipiell gar nichts. Viele Investoren warten genau auf diesen Zeitpunkt, verbunden mit der Hoffnung, dass aktuelles Grünland in Bauland umgewidmet wird. Sieht man sich an, was momentan in unserem Bezirk an Grundstückskäufen passiert, scheinen die Hoffnungen bald erfüllt zu werden. Wie die Wilden stürzen sich Immobilienentwickler auf Grünflächen. Die aberwitzige Geschichte des Erwerbs eines Ackers von einem Bauern für 45 Millionen Euro ist weit über die Grenzen der Donaustadt bekannt.

Es wird jetzt schon eine Vielzahl von Grundstücken zum Verkauf angeboten, mit der offiziellen Bezeichnung „Bauhoffnung oder Bauerwartung“, wofür natürlich keine Verantwortung übernommen wird. Die Kaufsummen sind jenseits von Gut und Böse. Als Beispiele dienen ein Grundstück mit einer Fläche von 4ha, das mit dem Claim „Investieren Sie in die Zukunft“ um bescheidene 13 Millionen Euro angeboten wird, oder ein „Bauerwartungsland“ in Aspern mit 26.000 Quadratmetern um schlappe 7 Millionen Euro. Insgesamt ausreichend Platz, um ein paar Wohntürme hinzustellen. Oder gleich eine neue Siedlung. Wenn schon im Kleingarten des Bezirksvorstehers eine schiefe Optik entsteht, welche Optik können wir dann bei dieser Massenumwidmung erwarten?

Gehen wir ein wenig in der Zeit zurück. 2020 wurde Wien unter mehr als 100 Metropolen im Ranking „The World's 10 Greenest Cities 2020" als Sieger gekürt. Die Donaustadt mit ihren Auen, Wäldern und Grünflächen hat sicherlich einen nicht unbedeutenden Teil dazu beigetragen. Sie selbst gewann 2004 Gold beim Wettbewerb „Entente Florale Europe“ (frz. für Blumiges Einvernehmen). Dies ist ein europaweiter Wettbewerb, der die Bürger in Städten, Gemeinden und Dörfern dazu anhalten will, ihre Wohn- und Lebensqualität zu erhöhen.

Die Zukunft sieht womöglich ein wenig anders aus. Wenn man sich die künftige Stadtentwicklung laut Flächenwidmungsplan der Gemeinde Wien ansieht, steuert die Gemeinde in die Gegenrichtung. Außer bei einzelnen Projekten jenseits von Transdanubien wird in einer weit größeren Dimension gedacht, vom Grünen Anger bis hinunter zum Heustadtmais. Ein Teil von grob geschätzten 5,5 Quadratkilometer Grünland, dies entspricht 5,5 Mio Quadratmetern, löst sich nicht in Luft, dafür aber in Bodenversiegelung auf. Das bedeutet, dass durch Bebauung Regen nicht mehr ausreichend eindringen kann, wodurch viele natürliche Prozesse nicht mehr stattfinden können. Wir sprechen hier im wahrsten Sinne des Wortes von toter Erde.

Ein interessanter Aspekt sind auch die städtebaulichen Verträge. In diesen werden zwischen der Stadt Wien und den Projektträgern wesentliche Punkte, wie die Ausgestaltung der Infrastruktur und auch den damit verbundenen Kosten der Stadt Wien, die der Steuerzahler zu tragen hat, festgelegt. Profitiert die Gemeinde auch davon? Bei manchen Projekten trägt der Immobilienentwickler einen Teil der zusätzlichen Infrastrukturkosten. Wie sieht das bei den einzelnen Projekten aus? Wir wissen es nicht. Es bestehe nämlich keine Pflicht, die Planungsdetails zu veröffentlichen, wird verlautbart, da es sich nur um „Rohfassungen“ handelt. Wir stoßen hier offensichtlich auf ein wohl gehütetes Gemeindegeheimnis.

Es wird also spekuliert, was das Zeug hält. Geheimnisumwoben sind Entscheidungen der Gemeinde. Hätte ich mich doch vor Jahrzenten für den Lebensweg eines Landwirts entschieden. Dann könnte ich heute einen Palast hinstellen und gemütlich auf der eigenen Yacht in St. Tropez Partys schmeißen. Oder mit dem Privatflieger kurz nach New York jetten. Aber eigentlich brauche ich das alles nicht. Eine grüne Donaustadt ist mir wichtiger.

Und dem Bauern seien seine Millionen vergönnt. Auch Landwirte profitieren eben vom Kapitalismus ohne es zu wollen. Zurückgeben würde ich das Geld allerdings auch nicht, denn es ist genug, um viele soziale Projekte zu unterstützen. Schlussendlich bleibt nur zu sagen: Die Donaustadt ist kein Casino!

(misch)