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Seestadt: Biopharma und Offices

  • Freitag, 9. Juni 2023 @ 13:36
Betrachtet von Hilde Grammel

Während in Sichtweite der Seestadt an die 40 Kräne die Stadtentwicklungsgebiete Berresgasse und Am Heidjöchl vorantreiben, ist es in der Seestadt selbst mit Bautätigkeit eher ruhig. Bis auf eine einzige Ausnahme: der Bürokomplex ‚Robin‘ am Eva-Maria-Mazzucco-Platz, laut Werbe-Neusprech „inspiriert von der Natur“. Nach den Büros im Holzhochhaus (HoHo) und anderen Büroarbeitsplätzen, in die sich Ein-Personen-Unternehmen oder ganze Firmen einmieten können, ist dies ein weiteres Gebäude, in dem Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.
Zur Erinnerung: Das angepeilte Ziel ist die Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen in der Seestadt. Die Frage ist nur, wer sich Büroarbeitsplätze in diesem Ausmaß wird leisten können. Vor allem, nachdem Corona gezeigt hat, dass Home-Office eine billige Möglichkeit ist, Büroarbeitsplätze einzusparen und Kosten auszulagern.

Alles für die Gesundheit?

Bleiben wir bei den Arbeitsplätzen. Demnächst werden auch der Gebäudekomplex des japanischen Biopharma-Riesen Takeda – mit Begrünungen und Gartenräumen ausgestattet und selbstredend energieeffizient – und ein weiterer von Hookipa, ebenfalls einem biopharmazeutischen Unternehmen, entstehen. Die Produktionsstätte von Biomay, einer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung für maßgeschneiderte biomolekulare Produkte, ist bereits errichtet. In den genannten Unternehmen werden mehrere hundert Arbeitsplätze geschaffen, heißt es in den wenigen verfügbaren und verständlich präsentierten Online-Auftritten. Es lohnt sich also allemal, einen näheren Blick darauf zu werfen, was Biopharma-Konzerne eigentlich tun. Über das von Takeda in der Seestadt geplante „Labor der Zukunft“ heißt es, dass dort zu Gentherapien und Biologika geforscht werden wird, unterstützt durch innovative Technologien wie Robotik, Augmented Reality, Künstlicher Intelligenz und Simulationen von Prozessen mittels digitalen Zwillingen. Was bedeuten all diese Begriffe? Biologika sind Medikamente, die aus biologischen Substanzen wie Zellbestandteilen, Proteinen oder gentechnisch veränderten Organismen hergestellt werden; Robotik befasst sich mit der Konstruktion, dem Betrieb und der Nutzung von Robotern und deren Steuerung durch Computer; Augmented Reality (Erweiterte Wirklichkeit) ist eine interaktive Erfahrung, die die reale Welt mit digital erzeugten visuellen, akustischen und Geruchsinhalten kombiniert; Künstliche Intelligenz ist das Bestreben, menschliches Lernen und Denken auf Computer zu übertragen und diesen dabei Intelligenz zu verleihen, die sie befähigen, selbstständig Aufgaben zu lösen; digitale Zwillinge sind digitale Modelle von real existierenden Objekten. Hookipa seinerseits wird in seiner „Plant“ (hier in der Bedeutung von „Werk“) virale Vektoren im industriellen Ausmaß herstellen und das Immunsystem des Körpers umprogrammieren – beides soll dazu beitragen, Krebs und Immunkrankheiten zu bekämpfen. Als virale Vektoren werden Viruspartikel bezeichnet, die in der Gentechnik dafür verwendet werden, genetisches Material in Zielzellen zu schleusen.

Grundsätzliche Fragen

Warum beschreibe ich dies alles hier so genau? Erstens, weil es – auch im demokratiepolitischen Sinne – wichtig ist, dass eine breite Öffentlichkeit weiß, woran und mit welchen Mitteln – nur zu unserem Besten, versteht sich – geforscht wird; zweitens, weil damit verdeutlicht wird, wie sehr auch der menschliche Körper mittlerweile zur Profitquelle geworden ist; drittens, weil die ganze biotechnologische Entwicklung eine grundsätzliche Frage aufwirft, nämlich diese: Wie weit soll der Mensch in seine Genetik eingreifen dürfen? Obwohl diese Fragen hier nicht zu beantworten und Gegenstand der Arbeit von Bioethik-Kommissionen sind, sollten wir sie nicht aus dem Blick verlieren, wenn wir es mit der Einschätzung der Arbeit von Unternehmen zu tun haben, die sich den „Life-Sciences“ („Bio-Wissenschaften“) widmen.