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„Klassenreise - Wie die soziale Herkunft unser Leben prägt“

  • Sonntag, 22. November 2020 @ 07:08
So lauten der Titel und die grundsätzliche Fragestellung einer von Betina Aumair und Brigitte Theißl verfassten Buchneuerscheinung aus dem ÖGB Verlag.

„Klassenreise“ bedeute in diesem Fall den „Aufstieg“ (sozioökonomisch, bildungstechnisch,…) von Menschen aus der „Arbeiter*innenklasse“. Wie dies passiert und was dies für Auswirkungen haben kann wird anhand von elf Lebensportraits verschiedener Personen beispielhaft gezeigt. Diese Porträts sind nicht nur zeitgeschichtlich interessant, sondern sie zeigen deutlich verschiedene Mechanismen in unserer neoliberal geprägten Gesellschaft auf und machen deutlich, dass die „Klassenfrage“ heute aktueller denn je ist!

So wird das Buch am Cover vorgestellt
(wortgetreu wiedergegeben):

„Klassenreisende begeben sich auf einen Weg, der für sie nicht vorgesehen ist: Aufgewachsen in einkommensarmen Haushalten sind sie oft die ersten in der Familie, die an einer Universität studieren. Weder in der einen noch in der anderen Welt zuhause, fühlen sich viele ihr Leben lang im Dazwischen. Dort, wo sie sind, dürften sie eigentlich nicht sein. Sie erleben den „Aufstieg“ als Chance, aber auch als Bruch und als schmerzhafte Erfahrung. Die Autorinnen porträtieren elf Personen, deren Geschichte mit dem Mythos „Aufstieg durch Leistung“ brechen. Sie machen deutlich, wie stark uns die soziale Herkunft prägt und welche Rolle dabei Geschlecht oder Migration spielen. Die Klassenreisen- Porträts sind aber auch ein Stück Zeitgeschichte, sie erzählen vom Stadt-Land- Gefälle, von Regionalentwicklung und österreichischer Sozialpolitik.“

Vielfältige Zugänge zur Fragestellung

Den Hauptteil des Buches bilden, neben einer kurzen theoretischen Einleitung und einem Abschluss, in welchem der Inhalt noch einmal zusammengefasst wird, vor allem elf Portraits von Menschen, welche eine „Klassenreise“ erlebt haben. Das Spannende an diesen Lebensbildern ist ihre Vielfältigkeit, welche die Breite und Vielschichtigkeit des Themas zeigt. Die Autorinnen weisen hierbei auch dezidiert darauf hin, dass ihr Werk auf einen intersektionalen Ansatz (also die gegenseitige Beeinflussung, Wirkung oder Verstärkung verschiedener Kategorien wie Klasse, Geschlecht, Ethnie,…) Rücksicht nimmt.

Die Vielfalt der Porträts behandelt nicht nur unterschiedliche Erfahrungen aufgrund verschiedener Lebensumstände („klassische“ Arbeiter*innenklasse, Armutsklasse, ländliche/städtische Herkunft, Migrant*innen, Geschlechterrollen,,…), sondern auch die vielfältigen Auswirkungen welche eine „Klassenreise“ für die Betroffenen mit sich bringt. Was bedeutet das? Konkret geht es darum, dass mit einer „Klassenreise“ nicht nur eine Veränderung der sozioökonomischen Lebensverhältnisse mit sich bringen kann, sondern, dass diese natürlich auch Auswirkungen auf das Selbstbild und die Psyche der Betroffenen hat. Das zeigt sich mehrmals in den Porträts, beispielsweise, wenn ein Kind das erste aus einer Familie ist, welches eine Universität besucht. Die Folge kann eine tiefe innere Zerrissenheit sein, da sich die Person weder den dort vorwiegend vertretenen bürgerlichen Milieus, aber auch nicht mehr den nicht-akademischen Kreisen zugehörig fühlt und sich quasi zwischen den Stühlen befindet.

Mit vorherrschenden neoliberalen Dogmen aufräumen

Ein grundlegendes Anliegen des Buches ist auch mit der vorherrschenden, neoliberalen Meinung abzurechnen, welche sagt, dass in unserer Gesellschaft ohnedies alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben und alles erreichen können, wenn sie nur fleißig und strebsam genug sind. Diese Aussage wird durch zahlreiche Beispiele und Studien in dem Buch entkräftet, welche zeigen, dass die sozioökonomische Herkunft massiv Einfluss auf den künftigen Lebensweg hat. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff „Klassismus“ (als strukturelle Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft) verwendet. Besonders deutlich wird diese Benachteiligung im Bildungsbereich, da gerade Österreich eines der Länder ist, wo (neben Vermögen) vor allem auch Bildung vererbet wird und sich für die meisten Menschen der künftige Lebensweg bereits nach Abschluss der Volksschule vorzeichnet.

Das Werk zeigt eindeutig, dass „Klassen“ gerade auch heute, vor dem Hintergrund der verbreiteten Auffassung, dass soziale Klassen nicht mehr gesellschaftlich relevante Kategorien sind, noch grundlegende sind. Es lädt dazu ein sich des eigenen Klassenhintergrundes bewusst zu werden, vorherrschende neoliberale Vorstellungen (wie zum Beispiel „jeder ist seines Glückes Schmied“) kritisch zu hinterfragen und sich aktiv für eine Gesellschaft zu engagieren in welcher wirklich alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben ein gutes Leben zu führen.

Weitere Informationen zum Buch gibt es entweder auf der Seite des ÖGB Verlags oder auf der Homepage der Autorinnen .