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Nachgefragt bei der Grazer Wohnungsstadträtin

  • Mittwoch, 4. März 2015 @ 17:30
Ein Kaktusgespräch mit Elke Kahr

Im Gegensatz zur KPÖ, die auch in Wien die Wiederaufnahme des kommunalen Wohnbaus fordert (siehe dazu auch der Kommentar von Bernhard Gaishofer) beschränkte sich die Gemeinde Wien seit vielen Jahren auf die Vergabe von Fördermittel an gemeinnützige Wohnbauträger. Dieser Weg komme billiger, als selbst Wohnungen zu bauen, meint dazu Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und verteidigt, dass in Wien seit 2004 keine einzige neue Gemeindebauwohnung mehr gebaut wurde, noch vor kurzem. In der Zwischenzeit hat Bürgermeister Häupl im Hinblick au f die kommenden Wahlen versprochen, die Stadt Wien werde wieder selbst Gemeindewohnungen bauen. SPÖ-Wien: 1 Schritt vor, ein 3/4 Schritt zurück

Um zu dieser und anderen Fragen mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hatte sich der Kaktus im Jänner an die Grazer KPÖ-Wohnungsstadträtin Elke Kahr gewandt. Sie übt dieses Amt, von ihrem Vorgänger Ernest Kaltenegger übernommen, seit 2005 aus. 2012 hat sie mit ihrem Team bei den letzten Grazer Gemeinderatswahlen einen fulminanten Wahlerfolg mit einem Stimmenanteil von über 20% eingefahren. Sie wurde von den WählerInnen eindrucksvoll bestätigt.

Hier unsere Fragen und ihre Antworten:

Kaktus: Ist für Dich nachvollziehbar, dass kommunaler Wohnbau teurer kommt als der Weg der Stadt Wien seit 2004, sich ausschließlich auf die Vergabe von Fördermittel an gemeinnützige Wohnbauträger zu beschränken? Warum hält Graz am Bau neuer Gemeindewohnungen fest?

Elke Kahr: Die Stadt Graz baut seit Jahrzehnten Gemeindewohnungen im Wege des sogenannten „Übertragungswohnbaus“. Das heißt, die Stadt stellt erschlossene Grundstücke zur Verfügung, Gemeinnützige bauen darauf unter Zuhilfenahme von Wohnbauförderungsmitteln des Landes Steiermark Wohnungen, die nach Ablauf der Förderungszeit in das Eigentum der Stadt fallen. Dadurch sind im Vergleich zum sogenannten freien Markt günstige Mieten möglich. Nachdem das Wohnungsamt nun ein Eigenbetrieb der Stadt geworden ist, bieten sich uns die Möglichkeit, noch einen Schritt weiter zu gehen und als Stadt Graz wieder selbst als Bauträger aufzutreten. Wir sind gerade dabei, uns diese Möglichkeiten genauer anzuschauen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Als Eigentümer kann die Stadt selbst die Mieten festlegen und die Objekte auch verwalten.

Kaktus: Was sind die wichtigsten Fortschritte in Eurer Wohnungspolitik in Graz?

Elke Kahr: Wir haben ganze Gemeindebausiedlungen wie z.B. die Triestersiedlung, die jahrzehntelang praktisch dem Verfall preisgegeben waren, umfassend saniert und sie so nicht nur für NeumieterInnen attraktiv gemacht, sondern auch den AltmieterInnen viel Lebensqualität zurückgeben können. Die Mieten in den städtischen Wohnungen liegen ca. 40% unter dem steirischen Richtwert. Die Mietzinszuzahlung garantiert, dass kein Mieter/keine Mieterin einer vom Wohnungsamt vergebenen Wohnung mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufbringen muss, wobei es für jede weitere Mitbewohnerin/jeden weiteren Mitbewohner noch Abschläge gibt. Es gibt einen Kautionsfond für MieterInnen, die zwar einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben, aber auf dem freien Markt fündig werden. Unsere Wohnungsvergaberichtlinien zählen zu den modernsten und sozial ausgewogensten in Österreich. Unsere Hausverwalter nehmen sich viel Zeit für ihre MieterInnen und können so viele Probleme abfangen, bevor sie eskalieren. Gemeinsam mit dem Friedensbüro, für das ich als Stadträtin ebenfalls verantwortlich bin, bieten wir ein Einbegleitungsservice für NeumieterInnen an. Speziell geschulte MediatorInnen kümmern sich um jene Nachbarschaftsstreitigkeiten, wo die Hausverwaltung nicht vermitteln konnte. Last but not least steht mein Stadtratsbüro täglich für alle Grazerinnen und Grazer offen, die Probleme haben. Unser Mieternotruf bietet rechtliche Hilfe rund um die Uhr, auch an Wochenenden.

Kaktus: Was sind Deine Hauptkritikpunkte an der bisherigen bundesweiten Wohnungspolitik von SPÖ und ÖVP?

Elke Kahr: Beide Parteien schaffen es nicht, das Mietrechtsgesetz so zu novellieren, dass es auch von Nichtjuristen verstanden wird. Sie unternehmen nichts gegen die stetig voranschreitende Aushöhlung des Mietrechtsgesetzes durch ständig neu geschaffene Ausnahmetatbestände vom Anwendungsbereich. Das völlig undurchschaubare Richtwertsystem lässt zum Teil horrende Mieten zu. Vor Wahlen wird die Wichtigkeit von leistbarem Wohnraum gepredigt, nach den Wahlen bleibt natürlich alles beim Alten. Die Aufhebung der Zweckwidmung der Wohnbauförderungsgelder drängt den sozialen Wohnbau immer weiter zurück. In der Steiermark wurden unter einem SPÖ-Soziallandesrat die Wohnbeihilfen um 25% gesenkt, was unter anderem dazu geführt hat, dass nun ein Mindestpensionistenpaar keinen Anspruch auf Wohnbeihilfe mehr hat. Und bis jetzt traut sich die Bundesregierung nicht, es unseren deutschen Nachbarn gleichzutun und die Vermieter für die Bezahlung von Maklerprovisionen zahlen zu lassen.

Kaktus: Danke für das Gespräch!