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Bin dann mal kurz über den Tellerrand schauen!

  • Montag, 14. April 2014 @ 02:21
Linker Diskurs zur rechten Zeit – Ein Gastbeitrag von Christine Hulatsch

Eine Geste des Erstaunens –Kopf kratzen- verursachten bei mir dieser Artikel, über den ich neulich stolperte.

Als ich meinen morgendlichen Mittwoch -Falter durchblättere, finde ich im Feuilleton einen politischen Artikel, der sofort meine Aufmersamkeit auf sich zieht:

Den Neoliberalismus links überholen!

Im Vorspann lese ich: „Während sich eine schlappe Kapitalismuskritik auf Slow Food und Verkehrsberuhigung kapriziert, will eine neue linke Strömung aufs Gas steigen.“ Klingt interessant, ich lese weiter...

Nun, ich gestehe, ich überfliege den Artikel und bin mit Begriffen und Namen konfrontiert, die mir nicht unbedingt geläufig sind. Da gibt’s einmal das „Manifest für akzelerationistische Politik“, verfasst von Nick Srnicek und Alex Williams – und weiters werde ich mit der Strömung „Spekulativer Realismus“ bekannt gemacht. Ich erfahre, dass der Cyberveteran Nick Land von den Spekulisten verehrt wird.

Gut, ich google also den Verehrten: Nick Land war ein britischer Philosoph, den es nicht mehr gibt, ohne dass er gestorben ist. Ich muss zugeben, der Satz hat was. Ich lese weiter... Nick Land war – also noch im vorigen Jahrhundert – ein Professor für Philosophie an der Universty of Warwick in Midlands, England. Er führte Gedankenexperimente durch, die ihn höchstwahrscheinlich in den Wahnsinn trieben. Nachdem er die Universität verlassen musste, schaffte er es offensichtlich, diesen psychotischen Schub zu überwinden. Derzeit arbeitet er als Journalist in Shanghai.

Die Thesen von Nick Srnicek und Alex Williams, jungen britischen Politikwissenschaftlern, und auch anderen europäischen Mitstreitern werden in einschlägigen Internetforen von einer breiten Leserschaft diskutiert. Der Autor des Falter-Artikels, Mathias Dusini, zeigt sich über diesen Zuspruch verwundert. Eine Erklärung wäre seiner Meinung nach ein weit verbreitetes Unbehagen über linke Politik. Kapitalismuskritik beschränke sich auf „Jammern auf höchstem Niveau“ – während der Kapitalismus flink wie ein Wiesel sei, seien seine Gegner behäbig wie ein Pandabär.

Die akzelerationistische Politik versucht zu denken, wie man die Dynamik des Kapitalismus nutzen kann.

Während an den Börsen Milliarden in Sekundenbruchteilen den Besitzer wechseln, schlagen die Gegner des Wall-Street Kapitalismus Protestzelte auf, oder die Kritiker der Globalisierung ziehen sich auf ihre Landkommunen zurück und züchten Gentechnik freien Mais. Die Manifest-Autoren Srnicek und Williams haben nur Spott für solchen „linken Aktivismus“ über.

Ja, wir brauchen Diskussionen und auch Meinungsstreit, aber wenn’s drauf ankommt, sollten Linke nicht nur untereinander diskutieren und streiten, sondern auch etwas (gemeinsam) tun.

Christine Hulatsch arbeitet als Coach und Mentalberaterin. Sie ist in der Bezirksgruppe der Sozialistischen FreiheitskämpferInnen aktiv.