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Wir zahlen ja für eure Krise!

  • Mittwoch, 20. Mai 2009 @ 05:23
Brief eines Lehrers - von Karl Gugler, Lehrer an der AHS-Theodor Kramerstraße

Und wieder einmal wurde uns vorgeführt, wie man erfolgreich Löhne senkt! Wer hätte das in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gedacht, dass das so einfach geht?

Man nehme dazu das Wort Reform. Landläufig versteht man darunter so etwas wie Neuordnung und Aktualisierung – und schon begeht man einen massiven Fehler: man denkt ans Positive, ans Verbessernde. Die Kapitalisten und ihre Büttel, die Politiker, denken da anders: sie denken ans Billigere. So haben sie es ja auch an ihren Wirtschaftsuniversitäten gelernt. Wenn du eine Produktionskette am Laufen hast und Profite scheffelst, dann lege deine Hände nicht in den Schoß, sondern senke deine Kosten für Material und Löhne, kontrolliere, ob dein Absatz gleich bleibt – und schon hast du noch mehr Profit. Da freuen sich die Büttel dann und nennen es „gesunde Wirtschaft“. Neuerdings sei da etwas Sand ins Getriebe geraten. Schwarze Schafe hätten sich eingeschlichen. Die seien zu gierig gewesen, verdienten gar nicht, was sie verdienen, seien eine Plage (Heuschrecken!) und neuerdings sogar kriminell (Bankster!). Und damit „wir“ und „unsere Wirtschaft“ nicht den Bach runtergehen, müssten wir jetzt solidarisch sein. Die Solidarität also. Es ist das nächste Wort, das man in seiner Bedeutung etwas verbiegen muss. Fest vereint stehen gegen einen bedrohend Mächtigen – das soll es nicht mehr heißen. Karitativer soll sie jetzt verstanden werden. Etwas spenden, also Geld abliefern möge man. Ausgerechnet für Banken! Für eine kapitalistische Spezialität also, die Geld einsammelt und damit verdient und Geld verborgt und damit verdient. Als die Büttel und ihre Wirtschaftswissenschaftler diese Spezialität dazu ermunterten, es ein bisschen toller zu treiben, da haben deren Agenten jenen Reichtum verzockt und verspekuliert, den WIR zwar geschaffen haben, aber den sie uns erst gar nicht ausbezahlt haben.

Es hilft mir allerdings recht wenig, wenn ich ausrufe: „Ich zahl’ nicht die Spielschulden der Kapitalisten!“ Ich werde erst gar nicht gefragt.

Vergleichen Sie, liebe/r Leser/in, doch einmal diesen, meinen „Geschäftszweck“, den ich mir nun einmal eingebildet habe, mein ganzes Leben lang verfolgen zu wollen, mit dem der Geldverleiher! Und wenn Sie es nicht tun wollen, weil ein auflagenstarkes Kleinformat Sie gegen die Lehrer aufgehetzt hat, dann tu ich es für Sie – und diese Geschichte entspricht zur Abwechslung wirklich der Wahrheit:

Da sitzt ein aufgeblasener Lausbub als Filialleiter einer Bank (Thema: Kreditbewilligung), keine 30 Jahre alt, in seinem nussholzgetäfelten und klimatisierten Büro vor seinem Designerschreibtisch mit EIZO-Bildschirm, schnippt mit den Fingern, auf dass Kaffee serviert werde.

Völlig gegensätzlich dazu sind die Arbeitsbedingungen eines Lehrers für Naturwissenschaften und Informatik. Er versucht seit 30 Jahren den ihm ausgelieferten Rudeln an Jugendlichen die Faszination seiner Fächer mit einigermaßen zeitgemäßen Mitteln näher zu bringen. Bildgebende technische Geräte könnten ihm dabei viel helfen. Deren Einbau dauert aber. Insgesamt eineinhalb Jahre! Von Nussholz und EIZO ist dabei natürlich nicht die Rede. Um die Inbetriebnahme zu beschleunigen, verlegt er so manchen Laufmeter an Strom-, Bildsignal- und Lautsprecherkabel einfach selber. Dann winkt er mit einer Rechnung über EUR 189,- für Installationsmaterialien vor seinem Chef. Und der wird bleich und stammelt: „Ich hab’ kein Budget!“

Danke, Frau Minister. Danke, liebe verhetzte Öffentlichkeit. Ich weiß jetzt, warum dienstältere Lehrerkolleg/inn/en allgemein als frustrierte Zyniker erlebt werden. Ich werde mich demnächst zu diesen gesellen.

Mit freundlichen Grüßen
Karl GUGLER
schulprobleme@kpoe.at

PS: Beim nächsten Bezirksabend der KPÖ-Donaustadt (monatlich, jeden zweiten Mittwoch) am Mittwoch, 10 Juni 2009, ab 19 Uhr steht das Thema " Schule aus Sicht der LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern" zur Diskussion. Alle KaktusleserInnen, die mitdiskutieren und/oder zuhören wollen, sind herzlich eingeladen!
Ort: Bezirkslokal der KPÖ-Donaustadt, 1220 Wien (Stadlau), Wurmbrandgasse 17