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Der Wiener Grüngürtel - von SPÖ-nahen Wohnbauträgern bedroht?

  • Donnerstag, 17. November 2022 @ 15:00
Ein KAKTUS-Interview als Hintergrundinfo

Rechtzeitig vor einer gemäß der Wiener Stadtverfassung für Montag, 21. November 2022 einberufenen Bürger*innenversammlung veröffentlichen wir online unser in unserer letzten Kaktuszeitungsausgabe erschienenes KAKTUS-Interview mit dem Sprecher der Bürgerinitiative Süßenbrunnerstraße, Mag. Bernhard Spuller.

Das Interview wurde von Margarete Lazar geführt

Sie sind seit März 2022 in dieser Angelegenheit sehr aktiv. Was war für Sie der unmittelbare Anlass für die Gründung einer Bürgerinitiative zu diesem Thema?

Bernhard Spuller:

Ich wohne mit meiner Familie in unmittelbarer Nähe zu dem geplanten „Quartier Süßenbrunner West“, euphemistisch von der Stadt Wien als „Siedlungserweiterung für ein lebenswertes Wien“ bezeichnet. Als wir einen Flyer in unseren Postkästen vorfanden, der zu einer Dialogausstellung in der METAstadt im Bezirk einlud, schrillten bei sehr vielen Anrainern sofort die Alarmglocken. Es handelt sich nämlich hier um ein riesiges Projekt mit Monsterbauten bis zu 33 m Höhe auf Grünflächen von der Oberfeldgasse bis zur Breitenleer Straße. Diese Flächen standen viele Jahrzehnte als Vorranggebiet Landwirtschaft unter besonderem Schutz und werden nach wie vor landwirtschaftlich, zum Teil auch als Selbsternteparzellen für Biogemüse, genutzt.

Wie ging der Schutzstatus dieser Flächen verloren?

Bernhard Spuller:

Im Jahr 2014 haben alle Äcker des Oberfeldes ihren Schutzstatus als Vorrangfläche Kategorie 3 infolge eines einmaligen Ausnahmebeschlusses des Gemeinderates (Bausperre) für die Errichtung des Tierquartiers mit der Begründung verloren, dass sie nicht mehr ausschließlich als landwirtschaftliche Flächen genutzt würden. Intransparente Vorgänge davor haben dazu geführt, dass genau die nun zu verbauenden Flächen schon 2013, also ein Jahr vor Aufhebung des Schutzstatus, von SPÖ-nahen Wohnbauträgern erworben wurden.

Aber brauchen wir denn in Wien bzw. im Bezirk nicht mehr leistbaren Wohnraum?

Bernhard Spuller:

Seit 2016 stehen jährlich ca. 4.500 neuen Haushaltsgründungen ca. 16.000 bis 19.000 neu fertiggestellte Wohnungen in ganz Wien gegenüber. Trotzdem wird wie wild weitergebaut. Nicht wenige Objekte stehen als Anlegerwohnungen leer. Andere sind schlichtweg für Durchschnittsverdiener kaum leistbar. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der frei finanzierten Wohnungen sind auch das Ziel internationaler Investoren, die die Stadt Wien durch laxe Vorschriften (problemlose Umwidmung von Grünflächen, keine Umweltverträglichkeitsprüfung, Entrechtung der Anrainer im Bauverfahren, etc.) angelockt hat. Wir als Bürgerinitiative sind aber nicht gegen die Schaffung von leistbarem Wohnraum.

Welche Lösungen schweben Ihnen vor?

Bernhard Spuller:

Wir können es uns in diesen Krisenzeiten, in denen Nahrungsmittelsicherheit und regionale Selbstversorgung besonders wichtig sind, nicht leisten, wertvollste landwirtschaftliche Flächen unwiederbringlich zu versiegeln. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen der größte terrestrische CO2-Speicher sind. Das Wort der Stunde und der internationale Trend zur Erhaltung der Grünflächen ist die Innenentwicklung und Nachverdichtung auf bereits versiegelten Flächen. Hier muss in Wien eine sofortige Prüfung des Nachverdichtungspotentials durchgeführt werden, das bereits 2018 einer Studie der Arbeiterkammer Wien zufolge mit ca. 130.000 zusätzlichen Wohneinheiten angegeben wurde (veröffentlicht in der Reihe „Standpunkte“ mit der Nummer 25). Wirklich günstiger Wohnraum kann nur dort geschaffen werden, wo schon versiegelt ist. Grundstückspreise und Nebenkosten fallen weg, und die innerstädtische Infrastruktur ist ebenfalls vorhanden. Das würde auch endlich die „Stadt der kurzen Wege“ realisieren, von der die Stadtregierung so gerne schwärmt. Die Stadt selbst als größter Grundeigentümer hat es in der Hand, dieses Potential zu heben. Der Grüngürtel und das noch vorhandene Grünland müssen durch einen sofortigen Umwidmungs- und Verbauungsstopp von Grünflächen erhalten bleiben. Das fordern nicht nur die Wiener Bürger, die vielen Bürgerinitiativen, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, Österreichische Hagelversicherung, etc., sondern auch die Wissenschaftler aus den verschiedenen Disziplinen wie z.B. Raumplaner (Boku), Meteorologen/Klimatologen, Techniker (TU Wien), etc. und nicht zuletzt die Medien. Die Print- und digitalen Medien sind ja voll zu diesem Thema!

Mit welchen Parteien glauben Sie bei diesen Forderungen als UnterstützerInnen rechnen zu können?

Bernhard Spuller:

Der Klimawandel und die Erderwärmung sind krisenhafte und dauerhafte Erscheinungen, die wir z. B. heuer auch in Wien sehr stark gespürt haben. Ich erwarte von ALLEN Parteien, die im Gemeinderat vertreten sind, dass sie endlich aufwachen und sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Es ist höchst an der Zeit, die oben genannten Entscheidungen von der seit Jahren regierenden SPÖ einzufordern.

Weitere KAKTUS-Berichte zu Quartier Süßenbrunner West: 16.04.2022, 17.052022