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Interview mit Klimaaktivistin Kati Benda

  • Sonntag, 14. November 2021 @ 11:15
Was Michael Ludwig und Ernst Nevrivy wissen könnten, würden sie mit den Besetzer_innen des Klima-Protestcamps und der Baustellen in der Donaustadt reden.


Zur Person: Katarina ist 19, studiert Biologie und Mathematik Lehramt, ist von Kindesbeinen an mit dem Widerstand der BI Hirschstetten retten gegen die Stadtstraße vertraut, als diese noch B 3d hieß.

Für den Kaktus hat Hilde Grammel mit Katarina Benda, einer 19-jährigen Aktivistin vor Ort, gesprochen. Vom ersten Tag an war sie am Protest-Camp beteiligt, obwohl sie vorher niemanden kannte.

„Aber ich wurde sehr herzlich aufgenommen, sodass es Spaß macht, hierher zu kommen und Freunde zu sehen, am dritten Tag war ich schon voll inkludiert“. Es gibt viele Organisationen, die die Besetzung organisieren, von Extinction Rebellion, System Change Not Climate Change über Jugendrat und Greenpeace. Sehr spannend ist es für sie zu sehen, wie die unterschiedlichen Organisationen arbeiten, „jede hat ihre eigene Art und Weise, das gemeinsame Ziel zu erreichen, aber im Endeffekt kommen wir alle auf den gleichen Nenner.“ Sie macht bei Aktionen generell mit, „wo immer es Leute braucht, da findet man mich“. Im Basiscamp, das inzwischen auf über 50 Zelte angewachsen ist, gibt es morgens und abends ein Plenum, zu dem auch die Besetzer_innen der Baustellen („Wüste“ bei der Hausfeldstraße, „Octopussy’s Garden“ und „Oase“ an der Hirschstettner Straße / Höhe A23) kommen. Bei den Plena geht es um die Aufgabenverteilung - „Wer kümmert sich um den Abwasch?“ „Wer betreut den Infostand?“ „Wer muss mal nach Hause duschen?“ „Wer braucht mal wieder ein Bett?“-, aber auch darum, wie die Einzelnen sich fühlen und welche Vorkommnisse es in der Nacht gab. Manche wohnen inzwischen im Camp bzw. auf der Baustelle, andere fahren einmal pro Woche nach Hause, duschen bei freundlichen Menschen in der Nachbarschaft oder trinken eine Tasse Tee zum Aufwärmen bei Anrainer_innen. „Manchmal nehme ich auch Leute zum Duschen oder Schlafen mit heim“ Der Enthusiasmus der ersten Tage ist auch nach nunmehr fast neun Wochen nicht verflogen. „Das Camp ist härter als man glaubt, aber es ist eine extrem coole Erfahrung“, so Kati.


Momentan wird das Camp winterfest gemacht. „In der Wüste steht inzwischen die Pyramide, in Octopussy’s Garden haben sie einen schönen großen Turm gebaut, im Basiscamp eine Jurte. Wir haben viele Decken und Schlafsäcke, dass bloß niemand friert, aber auch Planen und Matratzen werden immer gebraucht“. Über Social Media-Kanäle wird kundgetan, was gerade benötigt wird, „viele Menschen kommen vorbei und bringen die Sachen.“ Gibt es Parallelen zu Hainburg? „Auch dort gab es Gebäude, in denen man sich aufwärmen konnte, anfangs haben sie auch in Zelten gelebt, so wie wir, und später haben sie kleine Holzhütten gebaut. Egal, wie kalt es wurde, sie sind geblieben. Damit müssen sie schon rechnen, dass wir nicht weggehen, egal, was noch kommt.“

Es gibt den „Ticker: Lobau bleibt“ auf Telegram, der mittlerweile 3.000 Abonnent_innen hat, „das ist ein Kommunikationskanal, über den man schnell mobilisieren kann.“ Darüber hinaus gibt es Spezialgruppen auf Signal. „Es ist schwierig, etwas Großes zu planen für den Tag X, das aber geheim gehalten werden soll. Man darf ja nicht überall herumposten, wo wir was machen, denn dann können bestimmte Leute schon eingreifen, bevor wir unsere Aktion noch gestartet haben. Es ist immer ein bisschen schwierig, nicht alles zu verraten und doch zu mobilisieren.“

Kann sie im Camp auch studieren, mittlerweile gibt es ja W-Lan?
„Ich selbst hab festgestellt, dass ich das nicht so kann. Wenn ich da bin und Freund_innen sehe, kann ich mich überhaupt nicht konzentrieren, aber es gibt sehr viele, die das gut können, abschalten, sich wegsetzen. Ich lerne lieber zu Hause und komme dann in Ruhe her und konzentriere mich auf die Menschen.“

Wie ist das Camp grundsätzlich organisiert?
„Es gibt gedumpsterte Lebensmittel, die zu Speisen verkocht werden, Aktionstrainings dazu, was man tut, wenn die Polizei eine_n mitnimmt, wen sie anrufen können, damit die Leute vorbereitet sind und nicht in Panik geraten. Wir verlangen hier schon was von den Menschen, das ist uns bewusst. Aber man soll nur so viel machen, wie es für einen passt und nicht über die eigenen Grenzen gehen. Jede_r hat auch immer eine_ Aktionspartner_in, damit man aufeinander schaut, aber es muss jede_r innerlich selber für sich entscheiden, wie weit möchte ich mit meinem Aktionslevel gehen. Das Hauptcamp ist angemeldet, d.h., es ist eine erlaubte Sache. Neben den Aktionstrainings haben wir die Plena, aber auch ein volles Programm mit Raves, Konzerten und Workshops. Letztere sind speziell für die Leute, die ständig hier sind, damit sie auch was zum Zuhören und Diskutieren haben.“

Seid ihr mit der Medienberichterstattung zufrieden?
„Im Fernsehen gibt es leider wenige Beiträge, aber in den Social Media und Printmedien sind wir sehr präsent, ein Journalist hat sogar schon hier geschlafen. Wir sind immer wieder Thema, was gut ist, denn wir brauchen die Medienaufmerksamkeit. Als Kurz zurückgetreten ist, war unsere größte Sorge, dass wir in der Berichterstattung untergehen. Leider gibt es auch Artikel darüber, warum die Stadtstraße gebaut werden soll, die vom Budget der Stadt Wien bezahlt werden und Unwahrheiten verbreiten. Diese Falschinfo sollte es nicht geben dürfen. Die Menschen lesen das dann und denken sich: ‚Eine neue Straße sorgt dafür, dass weniger Stau ist, das macht Sinn.‘ Oder: ‚Mehr Straßen, super, dann teilen sich die Autos mehr auf.‘ Aber leider ist dem nicht so: Mehr Straßen bringen mehr Verkehr. Auch interessant: Kurz wirft man vor, dass er sich mit Steuergeldern wohlwollende Berichterstattung in der Zeitung Österreich erkauft hat, aber nichts anderes macht die Stadt Wien mit ihren Inseraten in Heute, am Infoscreen usw.“

Der Bezirksvorsteher sagt ja, dass die Klimakrise nicht durch den Bau von Straßen in der Donaustadt gelöst wird.
„Da kann man sich ja nur an den Kopf greifen, da muss man sich nicht besonders gut informiert haben! Schon in der Schule hab ich gelernt, dass Autos CO2 produzieren und dass der motorisierte Individualverkehr daher schlecht für die Umwelt ist. Wir sind im Übrigen hier nicht aktiv gegen Autos und Autofahrer_innen. Was wir bemängeln sind die fehlenden Öffis. Viele Menschen sagen, sie würden öffentlich fahren, aber wenn man sieben Mal umsteigen und um fünf in der Früh aufstehen muss, damit man um acht in der Arbeit ist, ist das eine Zumutung.“

Es wird ja oft gesagt, dass die Stadtstraße gebaut werden muss, um die Seestadt verkehrstechnisch zu versorgen. Auch, dass Unternehmen sich nicht dort ansiedeln, wenn die Stadtstraße nicht kommt.
Dazu meint Katarina: „Wozu braucht man eine Autobahn in eine Smart City, in der nur 20% aller Wege mit dem Auto zurückgelegt werden sollen? Da sollte zuerst einmal jede U2 in die Seestadt fahren und nicht nur jede zweite. Genau aus solchen Gründen fahren die Leute Auto. Warum, liebe Stadt Wien? Auch fehlt es an einer guten Öffi-Verbindung nach Floridsdorf, das zusammen mit der Donaustadt fast 400.000 Einwohner hat. Die transdanubischen Bezirke sind gegenüber jenen auf der anderen Seite der Donau sehr benachteiligt, was die Öffi-Infrastruktur angeht.“

Welche Gedanken habt ihr euch zu Alternativen zu den Straßen- und Autobahnprojekten gemacht?
„Wie schon gesagt: Es sollten die Öffis ausgebaut werden. Zu diesem Zeitpunkt geht Autofahren einfach nicht, die Welt brennt! Aber Fahrradwege sind für mich auch sehr wichtig. Ich fahre viel mit dem Rad, aber in der Donaustadt hören Fahrradwege plötzlich auf, fehlen ganz oder sind extrem schmal. Obwohl ich auf dem Fahrradstreifen fahre, werde ich regelmäßig von Autofahrern angehupt, ja, sogar angeschrien. Lieber wäre mir andererseits, es gäbe breite Fahrradstreifen auf der Straße als am Gehsteig, wo einem Menschen, vor allem Kinder, aber auch Hunde vors Rad laufen. Und die Autofahrer wären rücksichtsvoller und würden Radfahrer_innen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer_innen ansehen. Ich bin schon zur Schule mit dem Rad gefahren, aber die Kinder meiner Nachbarn durften das nicht, da ihre Eltern zu große Angst hatten, dass ihnen etwas passieren könnte, da man über weite Strecken auf der Straße ohne Radstreifen fahren musste.“

Es gibt auch das Argument, man brauche Stadtstraße und Lobau-Autobahn, um die alten Ortskerne zu entlasten, z.B. jenen von Aspern. Was sagst du dazu?
„Was dort ist, ist schon lange kein Ortskern mehr, den hat man zerstört. Zuletzt wurde noch die Bücherei abgesiedelt. Alles, was an einen Ortskern erinnern würde, ist inzwischen weg, Gasthäuser, kleine Geschäfte. Der Ortskern wurde durch den Verkehr zerstört. Das Problem wird durch neue Straßenbauten nur vorübergehend, für ein bis zwei Jahre, gelöst, dann sind die Straßen wieder so voll wie vorher.“ (Anm. der Verfasserin: Vielleicht sollte man ja die Erzherzog-Karl-Straße untertunneln statt die Stadtstraße zu bauen?)

Gibt es auch Anrainer_innen, die herkommen und sich dafür interessieren, was im Klima-Protest-Camp passiert?
„Ja, es gibt jeden Sonntag um 11.00 den Anrainer_innen-Brunch. Natürlich sind es nie genug, die herkommen und manche, die sich schon lange engagieren – der Kampf geht mittlerweile schon seit mindestens zehn Jahren –, sind mittlerweile auch müde, weil uns die Politiker immer nur verarschen und uns nicht zuhören. Es ist ein Marathon, aber wir sind bereit, ihn zu laufen, haben die Kraft dazu. Wir geben nicht auf!“

Danke für das Gespräch - und deinen Kampfesgeist!