Willkommen bei KAKTUS - Online / KPÖ-Donaustadt 

Vom Transport von Badehosen, dem Bewegen von Autos und der Stadtstraße

  • Samstag, 18. September 2021 @ 09:09
Bezirksvertretung Der Bezirksvorsteher versteckt sich hinter dem Entscheid einer Magistratsdienststelle und drückt sich vor einer Bürger*innenversammlung zur umstrittenen Stadtstraße.

Die Bezirksvertretungssitzung am 15.9.2021 war von einer Diskussion über den Bau der Stadtstraße geprägt. Zunächst sorgte für Aufregung, dass die von 12 Bezirksrät*innen (Grüne, NEOS, BIER und Abgeordnete Heimel) per Unterschrift geforderte Einberufung einer Bürger*innenversammlung (siehe Kaktusbeitrag vom 17.08.2021) nicht genehmigt worden war. Begründung: Die Magistratsdienststelle „Recht“ hätte entschieden, dass „Flächenwidmungs- und Bebauungspläne Angelegenheit der Gemeinde" seien, die für die Stadtstraße auch schon das Budget freigegeben hat, und „kein zwingendes Interesse des Bezirks“ vorläge. Der Entscheid der Magistratsdienststelle „Recht“ sei für den Bezirksvorsteher bindend. Außerdem biete er alle zwei Wochen eine Live-Online-Fragestunde an, in der ihm Bürger*innen ihre Meinung mitteilen könnten.
So weit so schlecht.

Anträge und Resolutionen der Parteien

Angenommen wurden die Resolution zum Erhalt vorhandener Infrastruktur in den Ortsgrätzln, für den raschen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel in der Donaustadt, für Maßnahmen vergleichbar jenen am Praterstern gegen Vermüllung und Alkoholkonsum am Kagraner Platz (die Grünen führten die Situation darauf zurück, dass das Winterpaket für Wohnungslose im Juli ausgelaufen sei und verabsäumt wurde, es in ein ganzjähriges Angebot umzuwandeln, weshalb Plätze in den Einrichtungen fehlten; Sozialarbeiter sollten vor Ort eingesetzt werden, es reiche nicht, Alkoholkranke einfach von einem Ort zum anderen zu vertreiben; nur BIER sprach sich letztlich gegen die Resolution aus).

Stadtstraße und Lobau-Autobahn erregen weiterhin die Gemüter

Über die Anträge der Grünen zum Stopp des Baus der Stadtstraße und zur Nichtrealisierung der Lobau-Autobahn (sie sind Verkehrserzeuger und schaden Mensch und Umwelt) wurde – erwartungsgemäß – heftig und teils „unter der Gürtellinie“ diskutiert, aber auch Momente der Nachdenklichkeit und Betretenheit waren zu bemerken und nicht alle Mandatar*innen der SPÖ schienen mit Begeisterung dem Klubzwang Folge zu leisten und gegen die Anträge zu stimmen.

Aber der Reihe nach. Von den Grünen, die in dieser Versammlung grundlegende Aufklärungsarbeit über die schädlichen Auswirkungen von Bodenversiegelung und die Ergebnisse des Weltklimaberichts leisten, wurden die Argumente der Baustellenbesetzer*innen ins Treffen geführt: „Lobau bleibt – ihr nicht!“ und „Es ist unsere Zukunft, die ihr verbaut“! Sie beklagten die ganzseitigen, mit Steuergeldern finanzierten Inserate der Stadt Wien für den Autobahnbau und die Fehlinvestition in falsche Maßnahmen und wiesen auf die Unsinnigkeit der Stadtstraße hin, die im Nichts endet, wenn nicht auch die Lobau-Autobahn gebaut würde, deren Genehmigungsverfahren aber noch nicht einmal abgeschlossen ist.

Die NEOS stimmten gemeinsam mit BIER für die Anträge, die SPÖ, FPÖ, ÖVP, Team H.C. dagegen. Die ÖVP tat sich durch die besonders qualifizierte Wortmeldung hervor, der Lobautunnel sei wichtig für die Wirtschaft und die Donaustädter Bevölkerung und meinte in Richtung der Baustellen-Besetzer*innen: „Hoffentlich räumt euch die ASFINAG bald weg!“

Als Wolfgang Orgler (Klubobmann der Grünen) in seiner Rede historisch etwas weiter ausholen wollte und das Kreisky-Zitat „Lernen Sie Geschichte!“ auf die aktuelle Situation anwandte, wurde ihm schlichtweg von der SPÖ-Sitzungsleiterin die Entziehung des Wortes angedroht. Es ist schon klar, dass man nicht immer alles hören will, was kritisch in Richtung der eigenen Partei gesagt wird, dennoch war m.E. diese mehrmalige mit „Themenabweichung" begründete Unterbrechung der Rede eines Abgeordneten durch die Vorsitzende nicht angebracht, als er auf die umweltpolitischen Fehlentscheidungen bzw. das nicht vorhandene ökologische Bewusstsein der SPÖ hinwies. Dieses problematische umweltpolitische Bewusstsein der SPÖ hätte sich schon gezeigt als Bruno Kreisky 1976 das Ergebnis der Volksabstimmung gegen das AKW Zwentendorf mit den Worten „Ich habe es nicht notwendig, mich von ein paar Lausbuben so behandeln zu lassen“ quittiert hatte, oder als Bundeskanzler Sinowatz angesichts der Hainburger Au-Besetzung 1984 von einem „Kinderkreuzzug“ sprach, der veranstaltet worden wäre. Diese Haltung findet seine nahtlose Fortsetzung, wenn heute Bürgermeister Ludwig meint: „Man wird Großprojekte nicht davon abhängig machen, ob es den Grünen gelingt, 12-, 13-jährige Kinder dorthin zu bringen“.

Ökologischen Protest zu infantilisieren und so zu diskreditieren hat also Tradition ebenso das Nähren falscher Hoffnungen bezüglich der Verkehrsentlastung von Autobahnen, z.B. der Süd-Ost-Tangente, der Wiener Außenring-Schnellstraße oder der A4 – Hoffnungen, die sich nicht bewahrheitet haben. Die gebauten Autobahnen hätten stattdessen nur mehr Lärm und Abgase gebracht und zur Bereicherung von Investoren, Banken, Baukonzernen und Spekulanten beigetragen. Mit Kosten von € 550 Mio. für drei Kilometer Straße alleine für die Stadtstraße belaste dieses Projekt das Wiener Budget und stelle Mittel zur Verfügung, mit denen man 30 km Straßenbahn bauen könne, was tatsächlich eine Verkehrsentlastung bringe. Weder stimme das Argument, dass durch die Stadtstraße Wohngebiete entlastet würden, noch dass Transit-Schwerverkehr an Wien vorbeigeführt würde, noch dass 77.000 Autos weniger auf der Tangente fahren würden. Und schon gar nicht könne man mit diesem Projekt die „Klimamusterstadt Wien" bis 2030 CO2-neutral machen.

Die NEOS unterstützten letztlich die Anträge der Grünen, nutzten aber die Gelegenheit, offene alte Rechnungen zu begleichen, indem sie darauf hinwiesen, dass Vizebürgermeisterin Vassilakou, als die Grünen in der Stadtregierung vertreten waren, das Projekt Stadtstraße als „unverzichtbar“bezeichnet hat. Die Grünen hätten zehn Jahre ungenützt verstreichen lassen und diese Anträge schon viel früher einbringen müssen. Wenigstens jetzt sollen sie entsprechenden Druck auf Umweltministerin Gewessler ausüben, die Autobahn-Projekte zu stoppen. In dieselbe Kerbe schlug der Redner der ÖVP, der den Grünen Unehrlichkeit und einen Mangel an politischer Ernsthaftigkeit vorwarf.

Die Grünen ihrerseits bekräftigten ihre Forderung nach Redimensionierung der Stadtstraße und warfen den NEOS vor, dass ihre erste Aktion im neu gewählten Wiener Landtag darin bestanden habe, das Budget – und damit auch die Mittel für die Stadtstraße – zu genehmigen. Außerdem hat Heidi Sequenz als Donaustädter Bezirksrätin der Grünen immer gegen die Position der Grünen im Gemeinderat Stellung bezogen und die Stadtstraße abgelehnt.

Anmerkung der Verfasserin: Sowohl der Klubzwang als auch die Starre der Koalitionsräson schädigen die Demokratie.

Die bedenklichen verkehrspolitischen Vorstellungen der FPÖ.

Die Argumente der FPÖ entsprachen 1:1 jenen, die als Verkehrsteilnehmer nur Autofahrer wahrnehmen und waren gespickt mit Beleidigungen à la „fetzendeppert“ und Unterstellungen wie jener, dass die Grünen für die Baustellenbesetzungen verantwortlich seien, ganz so als wüssten die Aktivist*innen nicht selber, was sie tun. Die Grünen sollten sich genieren und den Saal verlassen, war von ihrem Redner zu hören. Für diese Infragestellung des Demonstrationsrechts und den Saalverweis für demokratisch gewählte Mandatare gab es nun keine Ordnungsrufe von der Vorsitzenden, was zumindest erstaunlich ist. Dass die FPÖ-Mandatare ein Problem mit Zuhören haben, zeigte sich an deren mehrmaliger Aufforderung in Richtung der Grünen, diese mögen doch endlich ihre Alternativen zu Stadtstraße und Lobau-Autobahn nennen. Zum x-ten Mal musste ihnen gesagt werden, dass diese in einer Redimensionierung der Stadtstraße und einem Ausbau von öffentlichem Verkehr und Rad-Netz bestehen.

Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten für den FPÖ-Antrag nach einem Erhalt einer „typischen Baustruktur und -kultur“ in der Donaustadt aus, was auch immer damit gemeint sein mag.

Einmal mehr wurde von FPÖ-Seite ein Antrag zur Nicht-Einführung des flächendeckenden Parkpickerls in der Donaustadt eingebracht. Diese würde nur die Anzahl der Parkplätze reduzieren und zu Straforgien führen, Verbesserungen allein für die Stadtkassa bringen.

Verhältnismäßig lange und mit einigen komischen Effekten wurde über den Antrag der FPÖ zu einer zeitlichen Begrenzung der Kurzparkzone in der Raffinerie- und Finsterbuschstraße auf 9-11 Uhr während der Woche diskutiert. Sowohl die Gastronomiebetriebe als auch die Badegäste würden unter den Vorgaben der Parkraumbewirtschaftung leiden, Erholung Suchende müssten ihr Auto alle zwei Stunden bewegen und könnten nicht entspannt ihrem Badevergnügen nachgehen. Das Naherholungsgebiet Lobau – Neue Donau solle kostenlos nutzbar sein, auch von Autofahrern aus anderen Wiener Bezirken, die mit Frau und Kindern einen Badetag verbringen wollen. Grüne: statt des Autoverkehrs sollen die Öffis attraktiviert werden, etwa durch Verkürzung der Intervalle des Buses 92B. Auch könne man die Neue Donau mit dem Fahrrad erreichen. Nur 30% der Wiener*innen haben überhaupt ein Auto, für den Transport von Badehose und Handtuch, um baden zu gehen, brauche man eigentlich keines. Autofahrer*innen aus der Donaustadt können ohnehin parken, da sie für den Bezirk ein Parkpickerl haben.

Bericht des Bezirksvorstehers

Der Bezirksvorsteher berichtete – neben der Absage der Bürger*innenversamlung zur Stadtstraße – von vielen anderen Ereignissen, die den Bezirk betreffen: die Eröffnung des CopaBeach mit neuen Grünflächen, Sandstränden und Bäumen; die Pflanzungen von Characeen, niederwüchsigen Pflanzen, in der Alten Donau, die nicht mehr so häufig gemäht werden müssen, die hochwüchsigen Makrophyten verdrängen und die Wasserqualität verbessern; die Eröffnung des Liselotte Hansen-Schmidt-ganztägig geführten Bildungscampus in der Seestadt Nord mit Kindergarten, Volksschule, Mittelschule, Sonderpädagogik und Jugendzentrum; das Geburtstagsfest der Buchhandlung Seeseiten, den 67. Geburtstag des Bezirks „Donaustadt“, das Pressegespräch zur neuen Bücherei in der Seestadt.

Aus den Ausschüssen und Kommissionen wurde Folgendes berichtet:

Finanzausschuss:
Zum Antrag der NEOS nach einem partizipativen Bürgerbudget wurden Stellungnahmen zahlreicher Dienststellen eingeholt, aktuell werden verschiedene Modelle geprüft, um zu sehen, welches für die Donaustadt geeignet wäre. Daher blieb der Antrag noch offen.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses präsentierte den Rohentwurf des Voranschlags für 2022 und hob Kultur (mit einer Steigerung von € 250.000 auf € 300.000), kulturelle Jugendbetreuung (mit einer Mittelanhebung von € 1.639.000 auf € 1.900.000) und den allgemeinen Sachaufwand (mit einer Zunahme von € 27.000 auf einmalig € 275.000) als jene Bereiche hervor, für die das Budget erhöht werden soll. Die Höhe des Betrags für den allgemeinen Sachaufwand ergibt sich aus der bevorstehenden Übersiedelung der Bezirksvertretung und den daraus entstehenden Kosten für Mobiliar, IT etc.).

Umweltausschuss:
Angenommen wurden die Anträge zur Aufstellung von Outdoor-Fitness-Geräten im Donaupark, Errichtung eines Trinkwasserbrunnens am Ballspielplatz Stadlau-Mühlengrund, Errichtung von Sitzplätzen vor und unter der U2-Station Donauspital, Sicherstellung der ganzjährigen Ausnutzung der Dotation der Lobau; Errichtung eines Trinkwasserbrunnens bei der U2-Station Donauspital, Straßenbeleuchtungsstange in der Spargelfeldstraße 125.

Verkehrskommission:
Angenommen wurden folgende Anträge: Ein Zebrastreifen mit optischer Täuschung soll am Biberhaufenweg / Kreuzung Heustadlgasse errichtet werden; ein Schutzweg wird in der Schickgasse – Höhe Markgraf-Gerold-Gasse errichtet; Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit für Radfahrer*innen im Bereich Mühlhauserstraße/ Aspernstraße werden getroffen; die Kreuzung Eisenhutgasse/Asperner Siegesplatz/Aspernstraße soll für Schulkinder sicherer gestaltet werden. Die Grünen kritisierten in ihrem Diskussionsbeitrag, dass ihre Anträge zur Errichtung von Schutz- und Gehwegen und zum Längsparken abgelehnt wurden, geradeso als seien Fußgänger nicht wichtig und versprachen die Wiedereinbringung der abgelehnten Anträge. Außerdem verwiesen sie auf die Bodenmarkierungsverordnungen des Bundes, die in der Donaustadt häufig nicht eingehalten werden. Die SPÖ entgegnete, dass diese Verordnung relativ neu und daher die alte noch rechtens sei.

Die Sozialkommission berichtete, dass in der Donaustadt ein Zebrastreifen ebenso wie eine Sitzbank in Regenbogenfarben errichtet werden.

Vom Bauausschuss wurden Entwürfe neuer Flächenwidmungs- und Bebauungspläne für folgende Areale vorgelegt: Eipeldauergasse/ Melangassse/Oskar-Grissemann-Straße; Breitenleer Straße/Ziegelhofstraße/Rautenweg/Fuchsienweg/Pelargonienweg/Oleandergasse/Agavenweg und Hermann-Gebauer-Straße/Rudolf-Hausner-Gasse/Wiener Nordrand-Schnellstraße. Die Grünen stimmten keinem der drei Vorhaben zu, da sie in ihnen einen weiteren Beweis für die mangelnde Sensibilität der SPÖ für verkehrs- und umweltpolitische Anliegen sehen, weil scheinbar angenommen wird, dass nur Menschen mit Autos kommen würden und somit mehr Verkehr angezogen wird. Untersuchungen zu nötigem öffentlichen Verkehrsinfrastruktur fehlten völlig. Die ÖVP vermisste beim ersten Entwurf die Einplanung begleitender Infrastruktur für die projektierten 495 Wohneinheiten, beim zweiten, dass keine Verstärkung des 24A-Autobusses vorgesehen ist und dass die Nachbargrundstücke entwertet würden. Auch die NEOS meinten, dass beim zweiten vorliegenden Entwurf die Aufnahmekapazitäten der vorhandenen Bildungseinrichtungen nicht gegeben seien und ebenso die Nahversorgung nicht ausreichend sei. Zudem entspreche die Erreichbarkeit des Gebiets mit Öffis nicht dem durchschnittlichen Versorgungsgrund der Donaustadt. Die FPÖ stimmte ebenfalls keinem der drei Entwürfe zu. Beim ersten würden Garagenkomplexe weggerissen, den Menschen in den fast 500 zu errichtenden Wohneinheiten aber kein entsprechendes Öffi-Angebot gemacht. Sie hätten 800 m zur nächsten U-Bahn-Station, es sei mit 1,5 PKWs pro Wohnung zu rechnen. Es solle nicht so getan werden als sei der Wiener motorisierte Individualverkehr die Ursache für den Klimawandel. Beim zweiten würden sich Anrainer beschweren, auch hier fehlten Garagenplätze und Infrastruktur. Beim dritten handelt es sich zwar um die Bebauung eines Industriegebiets – im Rahmen eines Tiefkühl-Logistikzentrums soll ein Hochregallager mit einer Höhe von 35 m errichtet werden –, dennoch ist die genehmigte Bauhöhe zu hoch, da Gebäude dieser Höhe den Beginn von „Wohnturmbau“ darstellen. Die Grünen konterten, dass es in Wien nicht durchschnittlich 1,5 PKWs pro Haushalt gäbe, sondern 0,7.

Die nächste Sitzung der Bezirksvertretung Donaustadt findet am 1.12.2021 um 16.00, voraussichtlich am Schrödingerplatz statt. Es wird wieder möglich sein, sie per Livestream mitzuverfolgen. Ob dieser auch nach Übertragung angeschaut werden kann, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen.