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Keine Smart City ohne Smart Meter

  • Montag, 30. Dezember 2019 @ 10:46
Ein Beitrag von Hilde Grammel – Bewohnerin der Seestadt Aspern

Die Seestadt wird gerne als ein Vorzeigeprojekt der Smart City Wien und u.a. als Labor und Testfeld für neue Ansätze in der Stadtentwicklung präsentiert. Smart City bedeutet, durch den Einsatz neuer technologischer und sozialer Entwicklungen die Stadt lebenswert zu machen und nachhaltig zu verändern. Grünräume sollen bewahrt, umweltschonende Verkehrsmittel verwendet, der Energieverbrauch von Häusern möglichst niedrig gehalten und sozialer Zusammenhalt gelebt werden.

Dazu wurde ein Konsortium aus Siemens, Wiener Netze, Wien Energie, Wirtschaftsagentur Wien und Wien 3420 AG zur Erforschung der im Testbetrieb umgesetzten Maßnahmen geschaffen.

Ein Kernstück des Smart City-Konzepts ist die Optimierung des Energieverbrauchs. Dazu zählt die Einspeisung erneuerbarer Energieträger ins Netz. In der Seestadt wird aktuell getestet, wie drei mit Fotovoltaik, Solarthermie, Sensoren und Speichern ausgestattete Gebäude (ein Wohnhaus, ein Student*innenheim und eine Schule) eigenständig am Energiemarkt teilnehmen können. Auf der Homepage von Siemens heißt es dazu: „Damit Gebäude optimal arbeiten, benötigt man Wissen über aktuelle und künftige Nutzungsgewohnheiten. 50 Prozent der Bewohner eines Wohnbaus in der Seestadt (= 111 Haushalte) nehmen am Forschungsprogramm teil und stellen ihre Energieverbrauchs- und Raumregelungsdaten (Strom, Warm-/Kaltwasser, Zimmertemperatur, Raumluftqualität etc.) zur Verfügung.“ Zur Datenerfassung werden sogenannte Smart Meter eingesetzt, die täglich 1,5 Mio. Messwerte an eine Datenzentrale schicken, wo diese ausgewertet werden.

Licht- und Schattenseiten

Den Stromanbietern wird damit ermöglicht, flexible Tarife anzubieten. Wenn man ihnen Zugriff auf die vom eigenen Smart Meter verzeichneten Daten gewährt, zahlt man weniger, weil sie die erworbenen Daten vermarkten, sprich: verkaufen können. Weiters ist ein Smart Meter in der Lage, mit Haushaltsgeräten, die kommunikationsfähige Platinen eingebaut haben, zu korrespondieren, wodurch man von unterwegs aus Haushaltsgeräte, die Heizung usw. ein- oder ausschalten kann. Soweit die angepriesenen Vorzüge…

Diese vom Smart Meter durchgeführten Messungen erlauben aber auch Rückschlüsse darauf, wie viele Personen sich zu welchem Zeitpunkt in der Wohnung aufhalten und welche Geräte sie nutzen. Und sie erlauben eine Anpassung des Tarifs an Auslastungszeiten des Netzes und Empfehlungen, wann es z.B. günstig ist, Waschmaschine oder Geschirrspüler einzuschalten, will man Stromkosten sparen. Großkonzerne wie Amazon und Google werben bereits bei IT-Fachmessen mit Gratisstromangeboten, wenn man ihnen im Gegenzug die Daten des Smart Meters überlässt. All dies ist datenschutzrechtlich äußerst bedenklich, besonders, da man Menschen einem permanenten Überwachungsdruck aussetzt und die Aufklärung über Opt-out-Möglichkeiten fast nicht vorhanden ist.

Laborsituationen wie jene in der Seestadt haben leider die Eigenschaft, dass darin erprobte Neuerungen über kurz oder lang auch außerhalb des Labors Anwendung finden. So sollen bis 2022 in Österreich flächendeckend die gängigen Ferraris-Stromzähler durch Smart Meter ersetzt werden – auf der Grundlage einer Verordnung von ÖVP-Wirtschaftsminister Harald Mahrer im Dezember 2017 – ungefragt und zwangsweise.

Quellen:

https://new.siemens.com/at/de/unternehmen/themenfelder/ingenuity-for-life/aspern.html

http://www.solidarwerkstatt.at