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„Der Grieche“

  • Samstag, 19. September 2015 @ 10:15
Ein Kommentar von Georg Högelsberger (Junge Linke) in der Serie „Unser wild umstrittenes ‚K‘ in unserem Parteinamen aus heutiger Sicht“

Wir kennen ihn dank zahlreicher europäischer Medien alle: „Den Griechen“. Er ist faul, zahlt keine Steuern, führt sich auf wie ein Kasperl und will dann auch noch nicht einmal seine Schulden zurückzahlen! Er ist der kleine Mann auf der Straße, der reiche Inselbesitzer, der nette Wirt vom Restaurant gleich um die Ecke, Alexis Tsipras und Yannis Varoufakis in einer Person. Und das stimmt natürlich! Wir Österreicher sind ja auch alle DJ Ötzi und Werner Faymann in einer Person. Jeder einzelne von uns. Oh, Sie beginnen zu zweifeln? Kann es vielleicht sein, dass ja doch nicht jeder Österreicher ein Mann ist, der weder singen kann, noch Charisma hat? Und könnte es vielleicht sogar sein, dass die arme griechische Pensionistin, die gerade so über die Runden kommt, ja möglicherweise doch nicht so ganz schuld an der gegenwärtigen Krise ist? Oder dass der junge Student, der trotz bester Noten keine Aussichten auf einen Arbeitsplatz hat, nichts für die klägliche Finanzsituation Griechenlands kann?

Wenn Sie diesen Gedankengang für plausibel halten, muss ich Ihnen gratulieren. Denn Sie sind ohne Zweifel gescheiter als das Gros der europäischen Politiker und Medien! Dort heißt es immer wieder, „die Griechen“ seien so faul, so korrupt, frech, nicht kooperationsbereit und überhaupt können „wir“ jetzt auch noch alles für „sie“ zahlen. Das klingt nicht nur nach Blödsinn, das ist auch einer!

Doch welches Problem besteht hier eigentlich?

Zweifellos ein politisches, ein ökonomisches ebenfalls. Was allerdings nicht als Problem angesehen wird, aber ganz offensichtlich eines ist, ist der Anstieg an nationalistischem Blödsinn in Zeiten der Krise, der zu einer haarsträubenden Verkürzung und Falschdarstellung der Situation führt. Es wird nicht danach gefragt, wer genau an der Staatspleite Griechenlands schuld ist und wo genau das ganze Geld jetzt hin ist, sondern es wird einfach nur gesagt: „Die Griechen sind schuld!“ Als ob die Tatsache, eine griechische Staatsbürgerschaft zu haben, gleichzeitig bedeutet, selbst an der Krise schuld zu sein. Nicht, dass einmal festgestellt wird, dass die Regierungen vor Syriza für das Debakel verantwortlich sind. Nicht, dass die normale griechische Frau auf der Straße genauso wenig dafür kann, wie die aus Österreich. Nein, sie sind laut Medien und diversen Politikern alle schuld, diese faulen Griechen!

Dieses Problem gibt es natürlich nicht erst seit gestern. In der Wirtschaftskrise vor dem 2. Weltkrieg hat man eben solche nationalistischen Ressentiments angetroffen. Damals hat es statt „die Griechen“ halt „der Grieche“ geheißen, oder „der Österreicher“ statt „die Österreicher“ wie heute, aber das Prinzip dahinter ist das gleiche. Man nehme eine einzelne oder alle Personen einer Nation gleichermaßen her, wie „der Grieche“ (stereotyp ein Mann natürlich), dem man alle möglichen (und unmöglichen) Vorurteile zuschreibt, die man auch „seiner“ Nation zugeschrieben hat. Raus kommt: „Die Griechen sind faul“, „die Deutschen sind fleißig“, „der Wiener jammert gerne“ etc. So etwas kennen wir alle. Und obwohl es ein sehr gefährlicher Blödsinn ist, scheinen viele Menschen wohl doch im Grunde daran zu glauben und verschärfen somit nur Grenzlinien, die ohnehin nicht da sein sollten!