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“Ein Jahr Bürgerinitiative Dittelgasse” oder “Partizipation für Fortgeschrittene”

  • Freitag, 15. Mai 2015 @ 07:29
Schlussfolgerungen von Karin Puder-Wehofer, parteiunabhängig, Aktivistin von WIEN ANDERS in der Donaustadt

Ein gutes Jahr ist es nun her, dass die Asperner und Esslinger bei einer Informationsveranstaltung im Gasthaus “Hurraaa” von dem geplanten Großprojekt Dittelgasse (ca. 450 Wohnungen) erfuhren. Das Interesse war so groß, dass nicht alle Zuhörer eingelassen werden konnten. Die Stimmung war angesichts der Dimension des Bauvorhabens, vor allem aber der ortsunüblichen Verdichtung des zu erwartenden zusätzlichen Verkehrsaufkommens und der fehlenden Infrastruktur ablehnend und aufgeheizt.

Eine Bürgerinitiative wurde gegründet.

“Monsterprojekt Dittelgasse - nein danke”, gleichlautend heißt auch die Webseite und die fb-Seite mit etwa 520 LeserInnen.

Viele AnrainerInnen nützten die Möglichkeit, eine Stellungnahme (=Einspruch) an die MA 21 zu tätigen, Sorgen, Wünsche und Meinungen darzulegen, Vorschläge zu unterbreiten und Ideen einzubringen.

Die Bewohner dieses langsam und homogen gewachsenen Grätzels besannen sich aber auch ihrer freundschaftlichen und kreativen Potentiale: so gab es etwa einen Unterschriftslisten-Drive-In, eine Verkehrszählung, einen gut besuchten Info-Würstelstand und im Winter ein Punschstandl mit Lagerfeuer. Insgesamt sammelte die BI 1600 Unterschriften (!) gegen das umstrittene Bauvorhaben und durfte dadurch vom Petitionsausschuss angehört werden.

Es gab Gesprächstermine mit dem Bezirksvorsteher, sowohl mit Norbert Scheed als auch mit seinem Nachfolger Nevrivy, und die Medien berichteten regelmäßig. Der Kaktus gehörte von Anfang an zu den bestinformierten Berichterstattern, in der Ausgabe 3/2014 war sogar ein Kaktusgespräch mit der Architektin Claudia Schumm mit einem Lösungsansatz, nämlich Alternative Wege zur Schaffung leistbaren Wohnraums zu finden – das hier vorgestellte Konzept war von der BI als wünschenswerte Variante vorgeschlagen worden.

Nachdem im Bezirk die Flächenwidmung mit Zustimmung der SPÖ und der Grünen (auch hier ein Umfaller - der Kaktus berichtete darüber;) abgesegnet war, schrieben die Mitglieder unzählige E-Mails an sämtliche Gemeinderäte. Dies mit der Bitte, eine Zustimmung zur Flächenwidmung kritisch zu hinterfragen. Antworten gab es so gut wie keine.

Bekenntnisse, die das Papier nicht wert sind

Fassungslos mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass Partizipation zwar in manchen Parteiprogrammen verankert ist, aber in der Realität nicht wirklich erwartet, erwünscht, beachtet wird!

“Bürgerbeteiligung ist bloß eine Farce”, schrieb die Krone am 7.11. - allerdings über die Bürgerinitiative “Donaufeld”. Man sieht, das Ignorieren ist leider eine gängige Praxis!

Schließlich kam überraschend eine Einladung von Vizebürgermeisterin Vassilakou. Wir legten am 30.10.2014 die Sorgen der Anrainer dar und konnten endlich ein paar Zugeständnisse erreichen.

Am 5.11. fand im Bezirk eine von der FPÖ initiierte Sondersitzung zum Thema Flächenwidmung statt, die 6 Stunden lang fast ausschließlich von der SPÖ vereinnahmt wurde. Anliegen von Bürgern kamen dabei allerdings nicht vor.

Am 19.12. wurde dann noch schnell vor den Feiertagen die Flächenwidmung im Gemeinderat abgesegnet, GR Chorherr betonte, dass den Wünschen der Bürger entsprechend, ein Nahversorger eingeplant werde. Dass die Gebäude um 6 m näher an die nordseitigen Nachbarn rücken, ist leider auch eine (neue) Tatsache.

Weil das Beste aber bekanntlich zuletzt kommt, stellte sich kürzlich heraus, dass jener Anteil der Baufläche, auf dem der öffentliche Park geplant ist, in Privatbesitz ist und eigentlich gar nicht zur Verfügung steht! Ausgerechnet die Grünfläche, jenes Feigenblatt, mit dem die Bezirksgrünen den Riesenbau angepriesen hatten! Die Eigentümerfamilie ist jetzt in der misslichen Lage, dass die Flächenwidmung die Errichtung einer öffentlich zugänglichen Fläche vorsieht. Diesbezügliche Anfragen an das Planungsbüro, BV Nevrivy und andere Politiker blieben bisher ohne zufriedenstellende Antwort. Die ÖVP hat jedenfalls am 25.3.2015 eine neuerliche Anfrage gestellt - man darf gespannt sein!

Ungeachtet dieser grotesken Umstände läuft mittlerweile seitens der Wohnbauvereinigung der Privatangestellten ein zweistufiger Bauträgerwettbewerb. Eine Mitsprachemöglichkeit sei frühestens Ende 2015 “andenkbar”, ließ man uns wissen. Na hoffentlich heißt es dann nicht “jetzt ist es zu spät!”

Für Ende April wurde uns jedenfalls ein Lokalaugenschein am Bauplatz mit Fr. GR Kickert (Grüne), Herrn Fleischmann (MA 21) und Fr. DI Rauscher (Büro Vassilakou) versprochen. Wir werden den Kaktuslesern darüber berichten!

Um von der SPÖ und den Grünen ernst genommen zu werden, …

… bedurfte es großer Anstrengungen. Die SPÖ hat kein wirkliches Interesse an Kritik – auch wenn sie noch so konstruktiv ist. Die FPÖ als Oppositionspartei ließ sich das Thema nicht entgehen und wird – ob es uns gefällt oder nicht – auch in dieser Angelegenheit bei enttäuschten WählerInnen punkten können. Die ÖVP agierte zwar verhaltener, war der BI aber immer wohlgesonnen. Die Grünen lassen leider Handschlagsqualität vermissen, eigentlich hat es der/die DonaustädterIn mit zwei (getrennt) agierenden Gruppierungen zu tun: den Grünen des Gemeinderates aus dem Planungsbüro der Vizebürgermeisterin Vassilakou und auf der anderen Seite den grünen Bezirksvertretern, die versuchen, einerseits dem roten Big Brother zuzuarbeiten, und sich andererseits bemühen, wenigstens Relikte ihrer ursprünglichen Überzeugungen und Prinzipien zu retten. Die Bezirksgrünen sind um ihr Dilemma nicht zu beneiden – alle, die Hoffnungen in sie setzen, aber auch nicht.

Im letzten Jahr wurde mir und vielen anderen klar vor Augen geführt: Derzeit bleibt es vor allem der FPÖ überlassen, sich des Wählerpotentials, das aus Protest und Widerstand entsteht, anzunehmen. Das muss sich ändern! Wir brauchen dringend eine linke Opposition in der Donaustadt – und auch in ganz Wien.

Am 11. Oktober haben wir die Wahl!

Ein Kaktusbericht über WIEN ANDERS in der Donaustadt (28.04.2015) - Hier klicken!