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Grundrecht Wohnen, gewollte Bürde?

  • Freitag, 20. September 2013 @ 10:46
Von Wolfgang Sigut (parteiloser NR- Kandidat der KPÖ) aus der Freihof-Siedlung.

Ganz Wien stöhnt unter immer höher werdenden Wohnkosten, die Stadtregierung überlegt fieberhaft Gegenstrategien. Die gibt es. Wenn gewollt, dann stünden geeignete Instrumentarien zur Verfügung. Wie zur Zeit der 1. Republik, wo ähnliche, aber sicher noch ärgere Zustände herrschten. Während des 1. Weltkrieges war Wien sprunghaft auf 2 Mio. Einwohner angewachsen, 3/4 der Wiener Wohnungen waren überbelegt. Untermieter „Bettgeher“ (Schlafstätten wurden stundenweise analog der Schichten in Fabriken benutzt) waren an der Tagesordnung.

1922 erhielt Wien die Steuerhoheit, nachdem 1919 die Sozialdemokraten die Stadtverwaltung übernommen hatten. In Folge gab es einen Gemeinderatsbeschluss zur Einführung einer zweckgebundenen Wohnbausteuer. Diese war von allen Besitzern vermietbarer Räume zu entrichten, allerdings derart gestaffelt, dass die teuersten 0,5% der Objekte 44,5% der Gesamtleistung erbrachten! Daneben wurde noch ein System neuer Abgaben für alle Arten des Luxus (Autos, Pferde, Hauspersonal, Vergnügen, Luxusartikel), die ebenfalls zweckgebunden dem Sozialprogrammen des „Roten Wien" gewidmet waren, geschaffen.

Die radikal progressive Besteuerung von Immobilieneigentum machte die Ausbeutung von Wohnraum unrentabel und führte in kurzer Zeit zur Zerschlagung des privaten Immobilienmarktes in Wien. Aufgrund der gesunkenen Grundstückspreise konnte die Gemeinde Wien nun eine Vielzahl von Grundstücken zu erschwinglichen Preisen erwerben. Damit war nicht nur dem kommunalen Wohnbau gedient, sondern auch der Grundstückspekulation ein Riegel vorgeschoben. Die Wohnkultur der unteren Schichten konnte gehoben werden, 65.000 Gemeindebauten entstanden. Jedoch auch das reichte nicht aus, um den enormen Wohnbedarf zu befriedigen, und so entstand eine Königsidee der Stadt Wien, das Baurecht: Die Gemeinde vergibt ihre Gründe „in Baurecht“ an Baugenossenschaften, die mit Eigenmitteln zusätzlichen Wohnraum schaffen. Die Stadt bleibt trotzdem der Grundeigentümer, der dafür jährlichen Baurechtszins erhält.

Die Siedlungsunion vergeigt billiges, qualitatives Wohnen

Die Siedlungsunion (SU) ist eine solche Genossenschaft. Ihr erstes Baurecht war mit 30 Jahren befristet und wurde 1962 unspektakulär und ohne Veränderung auf weitere 50 Jahre verlängert. 2012 jedoch war alles ganz anders: Die Gemeinde Wien, inzwischen mit über vier Milliarden verschuldet, und ein Gemeinderatsbeschluss von SPÖ / Grüne führten zur Erhöhung von Baurechtszins, der das Nutzungsentgelt der betroffenen SU Sprengel eklatant in die Höhe treibt. Unterzeichnet wurde der neue Vertrag von Frau Ingrid Schubert, Vorsitzende der SU und gleichzeitig SPÖ-Gemeinderätin!

Der Widerstand der Betroffenen ließ nicht lange auf sich warten, sogar der ORF (Dr. Peter Resetarits) berichtete.

Auf Grund massiven politischen Drucks der Öffentlichkeit kam es zu einer „Kulanzlösung“ für AltmieterInnen (= eine Reduktion um 2/3 für jene, die vor dem 31.12.2012 bereits ein Siedlungshaus bewohnten). Erben (ausgenommen minderjährige Kinder) und Neumieter trifft die Erhöhung hingegen voll. Im neuen Vertrag wurde weiters eine Indexanpassung eingebaut, die in Zukunft jedes Jahr zu zusätzlicher Verteuerung führt.

Als Begleitmusik schüren die Machthaber geschickt die Neiddebatte. Das frühere geringe Nutzungsentgelt von durchschnittlich € 250 wird als unhaltbar verteufelt. Die Siedler sollen genauso zur Kasse gebeten werden wie der Rest in Wien.

Doch halt, verdreht die Gemeinde Wien nicht die Tatsachen?

Nichts Unanständiges, nichts Kriminelles ist am maßvollen und sich selbsterhaltenden Wirtschaften der Genossenschaft zu bemerken. Auf Grundlage eines Baurechtszinses, der bis 2012 noch nicht den Kapriolen des Marktes folgte, leistet die SU Hervorragendes. Und wäre die Wirtschaftsform einer gemeinnützigen Genossenschaft, weil nicht auf Gewinn ausgerichtet (Wachstumszwang), eigentlich nicht eine passende Alternative in der Krise?

An statt solche gelungenen Wohnformen als leuchtendes Beispiel herauszustreichen und den vielen überteuerten, qualitativ minderwertigen Wohnformen gegenüber zustellen, beschreitet die Stadt Wien den fatalen Weg der Perspektivlosigkeit und nimmt Zerstörung in Kauf.

Änderung?

Ja, mit einer Opposition, die solche zuvor erwähnte Instrumentarien kreativ anwenden würde, wäre das Vorgehen von SPÖ / Grüne ein Anderes.

Jetzt frage ich, wer käme dafür in Frage? Die ÖVP, die FPÖ oder endlich eine linke Opposition, die in der Demokratie ein Regulativ und Konzepterbringer sein möchte?!