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Ich gestehe, Frau Direktorin!

  • Samstag, 22. Oktober 2011 @ 09:12
Brief eines Lehrers - von Karl Gugler

Es hat Sie also „mit Zorn und Ärger“ erfüllt, als Sie bei der Begehung unseres Schulgebäudes mit einem Inspektor von der Bundesimmobiliengesellschaft hören mussten, dass da ein Lehrer, wildgeworden, ohne ihr Wissen eine „unzulässige bauliche Veränderung“ vorgenommen hat.

Dass Sie Ihrem Unmut darüber vor der voll versammelten Kolleg/inn/enschaft Ausdruck verleihen mussten, geschah vermutlich in der Absicht, es zu verhindern, dass so etwas ein weiteres Mal auftreten könnte. Im zurückliegenden Schuljahr erhielt ich (von Ihnen) den Auftrag, einen ziemlich wenig genutzten EDV-Saal zu reanimieren. Wer meinen Brief dazu im letzten Kaktus gelesen hat, kennt die widerlichen Details: 17 alte (aber gute) Geräte aus einer Spende des Bundeskanzleramtes usw. usw. Fast täglich bis 19.00 Uhr in der Schule arbeiten, hieß das. Den Kasten und die Stühle zahlte der Schulverein, zusammengebaut habe ich sie selber. Die Kopfhörer zahlte der Elternverein. Ausstattung vom Bund bisher: Null Komma Josef! Auch mein Wunsch nach EUR 150,- für Jalousien zur Selbstmontage gegen das stark störende Schräglicht wurde abschlägig beschieden.

Das Vergehen ...

Ich begann, eigenmächtig zu handeln. Ich wollte nicht wieder so etwas erleben, wie mit dem Chemiesaal, wo ein Datenprojektor an die Decke geschraubt wurde und es in der Folge 12 (zwölf!) Monate gedauert hat, bis auch eine Strom- und Signalverbindung hergestellt werden konnte. Das stark störende Schräglicht musste weg – und nicht erst nach 12 Monaten. Ich hatte da eine Hartfaserplatte, eine ehemalige Kastenrückwand zu Hause im Keller liegen. Also: zurechtschneiden, zwei Mal weiß lackieren, in die Schule transportieren, Akku-Schrauber und Montagematerial nicht vergessen! Nach mehreren Anläufen war die Abdeckung gegen das Ganglicht dann absturzsicher befestigt. Jetzt konnte man als Schüler/in tatsächlich deutlich erkennen, was der Datenprojektor da an die Wand warf.

... und seine Ursachen

Im Verlauf meiner fast 28 Dienstjahre gab es da zufällig einmal einen Volltreffer in der Fortbildung: „Die Wahrnehmungsgesetze im (Chemie)unterricht“, hieß das Seminar. Fortan hatte ich ein fundamentales technisch/didaktisches Problem zu lösen. Die in einem durchschnittlichen Unterrichtsraum eingebauten technischen Hilfsmittel, z. B. zur Bilddarstellung, waren durch die Bank entweder von vorgestern oder kompliziert und zeitvergeudend zu bedienen oder überhaupt funktionsuntüchtig. Verbesserungen durchzusetzen dauerte grundsätzlich enorm lange, wurde von diversen Sparbudgets verlangsamt oder wurden überhaupt abgelehnt.

Da stand ich nun mit meinem idiotischen Idealismus, es besser und noch besser machen zu wollen – nämlich Kenntnisse der Naturwissenschaft in die Schüler/innen/köpfe zu übertragen und zwar mit effizienten Methoden. Zunächst schrie ich laut um Hilfe – und hörte bloß das Echo meiner Stimme als Antwort. Hie und da gab’s dann doch ein bisschen Ausstattung. Ernstzunehmende Unterstützung kam vom Elternverein und dem Schulverein. Und dazu kommt, dass man mir bei handwerklicher Arbeit nicht gerade Talentlosigkeit nachsagen kann. Fortan entstanden recht zügig so manche ausstattungstechnische Problemlösungen unter Verwendung privater Werkzeuge wie Akkuschrauber, Bohrmaschine, Schraubendreher und Lötkolben.

Ich hatte doch gar keine Wahl. Wenn ich mich dem Schneckentempo bei der Ausstattungsoptimierung oder dem Unwillen dazu unterworfen hätte, wäre ich doch in Pension, bevor eine wesentliche Gesamtverbesserung realisiert worden wäre. Dann wäre ich doch auch schon längst bei diesen Zyniker/inne/n, die es unter den Lehrer/inne/n des Öfteren geben soll. Oder bei den frustrierten, ausgebrannten Alten.

Aber dorthin, liebe Vorgesetzte, dorthin kriegt Ihr mich nicht!

Mit freundlichen Grüßen
Karl GUGLER
kgugler@A1.net
schulprobleme@kpoe.at