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Donaustädter Frauen schrieben über den Krieg.

  • Sonntag, 6. April 2008 @ 06:55
Geschichte und Geschichten Dass die Welt nicht vergisst!

Im Jahr 1955 forderte der "Bund Demokratischer Frauen" die Frauen auf, niederzuschreiben, was sie im 2. Weltkrieg mitgemacht hatten. Daraus sollte dann ein "Schicksalsbuch der österreichischen Frau" werden.

Der "Kaktus" entdeckte die Beiträge von Donaustädterinnen in den Beständen einer aufgelassenen Leihbücherei. Wir veröffentlichen einige dieser berührenden Zeitdokumente.Da die betroffenen Frauen nicht (mehr) um die Erlaubnis zur Veröffentlichung gefragt werden können, sind die Niederschriften nur mit Namenskürzel versehen. "Als Kind erlebte ich die Not des ersten Weltkrieges." Schrieb Frau W.H. aus Neu-Kagran, "Dann folgte der 15. Juli1927, wo ich als ganz junge Frau meinen Mann zum Schutzbund gehen ließ, um die Freiheit der Arbeiter zu verteidigen. Im Jahre 1934 stand mein Mann im Wiener Rathaus mit einem Revolver der Kanone der Heimwehr gegenüber. Das war das Ende aller Freiheit. Was ich aber vom Jahre 1938 bis 1945 erlebte, das überwog allen anderen Schreck und Schmerz. Da man meinen Mann nicht bewegen konnte, zur NSDAP zu gehen, musste er im Jahre 1942, bis dahin war er U.K. (= unabkömmlich) gestellt, plötzlich einrücken. Nun kamen die Sorgen um die mir Bekannten und Verwandten, die in den Kerkern schmachteten, noch die Sorge um den geliebten Mann. Kurze Zeit danach griff man auch nach meinem 15jährigen Buben, der ins Burgenland zum Schanzengraben musste. In tausend Ängsten schwebte mein Herz zwischen Kind und Mann. Mit einem Auftrag kam mein Bub mitten in der Nacht pudelnass nach Hause. Er erzählte von den Fliegern, die über sie hinweg flogen und über die Angst, die sie dabei ausstünden. Ich fasste den Entschluss, mit allen Mitteln das Kind aus den Krallen des Hitlerregimes zu reißen. Ich meldete ihn krank und ließ ihn nicht mehr fort. Mit Bangen sah ich die Front-Begradigungen in Russland, wo mein Mann war, und dem Heranwachsen meines Buben entgegen. So kam das Jahr 1945. Die Truppe meines Mannes kam bis Graz zurück, als mein Bub nun 16jährig, zur vormilitärischen Ausbildung einrücken sollte. Nun hieß es handeln. Als er einrücken sollte, verließen wir unsere Wohnung. Der Kreisleitung schrieb ich, dass mein Mann wieder an die Front muss und uns noch sehen wollte. Bei Rückkehr werde sich mein Bub melden. Bei Verwandten warteten wir, bis wir per Auto nach Graz fahren konnten. Bei Fliegeralarm aus Wien, den Feind- Fliegern entgegen, bei Fliegeralarm in Graz kamen wir schließlich bei meinem Manne heil an. Als ich hörte, dass die Rote Armee sich schon auf österreichischem Boden befinde, hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste heim zu Hab und Gut. Nun hatten die Nazi keine Zeit mehr, sich um mein Kind zu kümmern und wir hatten das Glück unversehrt das Ende des Krieges zu erleben. Hoffentlich gelingt es den Friedensfreunden der ganzen Welt, einen neuen noch schrecklicheren Krieg zu verhindern."

" Mein Mann wurde als Widerstandskämpfer von den Hitler-Horden ermordet." Erzählte Rosalie M. aus Breitenlee, "Im 39-iger Jahr wurde mein Mann von der Gestapo geholt und 5 Monate eingesperrt. Nachher rückte er ein und war bis 44 an der Front. Im März 44 ging er zur Roten Armee über, um sein Leben zu sichern. Nach einem Jahr wurde er von der Roten Armee als Fallschirmspringer zur Befreiung Österreichs abgesetzt. Durch den zweiten Mann, der mit ihm mit kam, wurde er verraten und der Gestapo in die Hände gespielt. In Angern wurde er erschossen, als aufrechter Kämpfer für Österreichs Freiheit. Mein Sohn ist heute bald zwanzig und ich möchte nicht ihn auch noch verlieren in einem Krieg. Mit den Bomben haben wir auch genug mitgemacht. In unserer Siedlung sind auch 20 gefallen und wir sind nur durch ein Glück davon gekommen. Deswegen kämpfe ich auch um den Frieden. Möge es den Völkern gelingen, dass Friede wird auf der ganzen Welt und kein Soldat mehr für die Kapitalisten und Welteroberer verbluten muss. Ich grüße die Frauen die sich einsetzen und mithelfen einen Krieg zu verhindern."

Ein anonymer Beitrag aus dem Bezirksteil "Donau":
"Wir hatten uns das allernotwendigste geschafft und dann im Feber 38 geheiratet. Aus Liebe. Einen "Juden". Er war Arbeiter, anständig und sehr arbeitsam, aber - arbeitslos. Letzter Notstand. Einen Monat später kam Hitler, genügt das? Oder soll ich den Kreuzweg schildern der begann? Angefangen mit Beschimpfungen, Hohn, Schlägen, bespuckt und mit Plakaten auf den Straßen herumgejagt. Den unglaublichsten Erniedrigungen ausgesetzt, die ein satanisches Gehirn eines Verbrechers nur ersinnen kann. Von Kreuzweg der für meinen Mann im Jahre 39, als er ins KZ kam, in verschärfter Form weiterging. Für mich kam die Dienstverpflichtung. 41 starb meine Mutter und 2 Monate später mein Ziehbruder. Er hatte trotz eines schweren Lungenleiden einrücken müssen. Beim Strafexerzieren hatte man ihn zu Tode exerziert. 42 wurde ich zum Luftgau XVII weiter dienstverpflichtet. Kam zu einem Flagersatzregiment in Wien. Regimentstab, Personalbuchhaltung. Soll und Haben des Kanonenfutters fein säuberlich eingetragen. Daraus die Abrufe. - Todesurteile für so viele!! Dann kam das Militärgericht in unsere Kaserne. Gleich ober uns im 2. Stock entschied sich Leben oder Tod von so vielen! Wie viele traten von dort aus ihren letzten Weg an zur Kagraner Schießstätte? Wird man je erfahren wie viele junge hoffungsvolle Menschenleben dort gemordet wurden? Genesendenbatterie - Marschbatterie - Abrufe an die Front. Neueinrückende. Immer jüngere Jahrgänge. Bis wir bei den 15 u. 16jährigen angelangten. Mütter! Hättet ihr eure Kinder gesehen und sie weinen gehört, ihr wäret aufgestanden wie ein Mann um euer Fleisch und Blut zu schützen. Mütter! Rüttelt die Menschheit wach! Haltet zusammen, dann seid ihr unüberwindlich! Sorgt dafür, dass diejenigen, die dasselbe und noch ärgeres planen, dorthin kommen, wo sie hingehören - in die Zucht- und Irrenhäuser. Nie wieder Anschluss!! Nie wieder Militär und Krieg!"

Eine Frau aus Breitenlee schrieb: "Habe meinen Bruder mit 45 Jahren, der in Pflege in Ybbs war, durch Hitler vergast, verloren. Eine Nichte im Raume Wels durch einen Fliegerangriff am 23. 9. 1944, einen Schwiegersohn am 25. 7. 1944, der in Lemberg Sanitäter bei einem Straßenkampf mit den Russen durch einen Kopfschuss den Heldentod fand. Eine Schwägerin hat den Tod im Luftschutzkeller gefunden, eine Bombe schlug ins Nebenhaus ein, war dem Erdboden gleichgemacht, meine Schwägerin saß, weil sie herzleidend war, auf der Kellerstiege, die Bombe von nebenan hob die Stiege und der Kopf war weg, der nicht zu finden war, sie musste so nach 14 Tagen beerdigt werden. Noch war nicht alles gar. Am 8. April kamen die Befreier nach Breitenlee, mein Mann war neugierig und hielt Ausschau, die Deutschen schossen am 12. 4. 1945 eine Granate in Richtung unseres Gartens -mein Mann war sofort tot. Zuletzt habe ich noch meinen Sohn mit 45 Jahren, der wahrscheinlich auch noch einrücken musste. Die kriegslüsternen Herren sollten sich einmal selbst an die vorderste Front stellen, nicht Söhne und Väter von Familien wegreißen, damit sage ich jeden den es angeht - nie wieder Krieg."

"Abgesehen von den Fliegerangriffen, die ich in den Kriegsjahren in Wien und Berlin mitmachte, möchte ich ein Erlebnis, an welches ich heute und immer wieder denken muss, niederschreiben.", hieß es in einem mit I. N. unterschriebenen Beitrag."Es war in den letzten Kriegsmonaten im Jahre 1944. 10 junge Frauen, darunter auch ich, wurden vom Arbeitsamt kriegsdienstverpflichtet. Zu diesem Zwecke mussten wir eine Schulung in einem Frauenkonzentrationslager bei Berlin mitmachen. Bei unserer Ankunft mussten wir ein Gelöbnis ablegen, dass wir über alles was wir in den 14 Tagen zu hören und zu sehen bekommen niemals sprechen werden. Ich, d. h. wir alle sahen ein Konzentrationslager zum ersten Mal. Es war erschütternd. Jede von uns arbeitete mit einem Häftling zusammen. Normalerweise hätten wir mit keiner, außer es war dienstlich, reden dürfen. Befanden sich jedoch die Aufsichtspersonen, dies waren ausschließlich SS-Helferinnen, in entsprechender Hörweite, versuchten wir uns so gut wie möglich mit den Gefangenen zu verständigen. Ich arbeitete mit einer Studentin aus Odessa zusammen. Aus ihren Erzählungen entnahm ich, dass sie so wie alle anderen, ohne jemand etwas getan zu haben, von den Deutschen aufgegriffen und ins Lager geschickt wurde. Zurzeit war sie im dritten Lager. Die Frauen hatten alle kurzgeschorene Haare, Sträflingskleider mit Riesennummern am Rücken. Neben der garstigen Brüllerei der SS-Frauen gab es natürlich auch Fußtritte, wenn nicht alles so ging wie sie es wollten. Dies, soweit wir es sehen konnten, denn was sich nach der Arbeit, wenn die Gefangenen wieder in ihre Baracken zurückkehrten, abspielte, bekamen wir nicht zu sehen. Nachts, man wusste ohne auf die Uhr zu sehen, dass es ¼ 2 war, gab es immer Fliegerangriff. Da es in diesem Lager keine ordentlichen Luftschutzräume gab, mussten wir mit den Gefangenen zusammen unter den Werkshallen die Zeit des Angriffes abwarten. Obwohl Berlin von den Fliegern schwer heimgesucht wurde, ist dieses Lager bis zum Schluss verschont geblieben. Ich denke immer daran, wie nett diese Frauen und Mädchen zu uns waren. Furcht kannten sie nicht. Wie verfluchten wir alle damals den Krieg, wie hassten wir alle die an diesem Blutvergießen schuld waren! Schuldlose Menschen mussten so schwer büßen und sterben! Gelernt haben wir bei dieser Schulung rein nichts, d. h. es wäre niemandem damit geholfen gewesen. Wir durften knapp vor Kriegsende selbst sehen, wie es hinter den Kulissen vorging. Ich glaube, dass keine von den Frauen dieses Lehrgangs die Tage in Berlin vergessen wird. Ich selbst habe heute einen lieben kleinen Buben und ich will mich mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass uns die Schrecken eines neuen Krieges, eines viel grauenhafteren Krieges, erspart bleiben, dass niemals mehr unschuldige Menschen sterben müssen. Ich will dafür kämpfen, dass meinem Kinde eine bessere und glücklichere Zukunft beschieden ist."

Ein Erlebnis vom Mai 1945 von Johanna B.:
"Der erste Zug aus Prag kommt. Traf in Stadlau mit Kranken und Verwundeten ein. Sie wurden im Turnsaal und im Stadlauer Kloster notdürftig untergebracht. Wer nur irgendwie konnte, versuchte die Not dieser Armen zu lindern, teils mit Kleidern, teils mit Lebensmitteln. Auch ich ging mit Esswaren dem Stadlauer Kloster zu. Da fielen mir zwei Frauen auf, mit einem kleinen Handwagen, die das gleiche Ziel hatten wie ich. Um ihrer Freude Luft machen zu können, erzählte die eine Frau, dass sie ihren Buben holen geht, er kann zwar nicht gehen, aber er lebt. Die andere Frau sagte todunglücklich, dass sie nichts von ihrem einzigen Kinde weiß. Im Krankenzimmer waren unser aller Augen auf Mutter und Sohn gerichtet, die sich leidvoll und glücklich begrüßten. Auf einmal ertönte ein kläglicher Ruf. Mutter, Mutter! Vom 3. Bett ein leichenblasser Bub hatte gerufen, es war das Kind der zweiten Frau und es fehlte ihm ein Fuß. Der Schmerz der armen Mutter war so herzzerreißend, dass ich es nie vergessen kann. Soll so was wieder kommen?"