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Die Sitzung der Bezirksvertretung Donaustadt im Dezember 2020: Ein Vorgeschmack auf die nächsten fünf Jahre

  • Donnerstag, 17. Dezember 2020 @ 16:56
Bezirksvertretung Ein Kaktusbericht von Hilde Grammel

Am 16.12.2020 konnten interessierte Donaustädter*innen ihre neu gewählte Bezirksvertretung erstmals in Aktion erleben. In den nächsten fünf Jahren werden die Geschicke des 22. Bezirks von 29 Mandatar*innen der SPÖ, 12 der ÖVP, 7 der Grünen, 6 der FPÖ, 3 der NEOS, 2 des Team HC und 1 der Bierpartei gelenkt, wobei die Übermacht der SPÖ (2 Mandate weniger als die Absolute) so groß ist, dass ohne sie nichts gehen oder nur das gehen wird, was sie will. Außerdem macht sich die zerbrochene Koalition zwischen SPÖ und Grünen auf Stadtebene auch in der Bezirkspolitik bemerkbar nämlich insofern als Anträge der Grünen nicht mehr von der SPÖ unterstützt werden.

Geschlechterparitätisch besetzt ist die Bezirksvertretung noch lange nicht, was sich auch in der Redezeit widerspiegelt: Bei der Sitzung am 16.12. redeten viele Männer (ca. 75% der Sprechzeit), eine Frau mit Migrationshintergrund (NEOS), zwei Frauen der Grünen, eine der ÖVP und eine Sozialdemokratin. Aber der Reihe nach.

Am Beginn der Sitzung berichtet BV Nevrivy über seine zahlreichen Aktivitäten seit der letzten BV-Sitzung im September, reichend von seiner Teilnahme am – coronabedingt reduzierten – Erntedankfest in Aspern, der Eröffnung des Naturerlebnispfads auf der Donauinsel (Nähe Reichsbrücke), der Testung des Fahrradmotorik-Parks in Kaisermühlen (Rudolf-Nurejew-Promenade) und der Preisverleihung anlässlich des von den Wohnpartnern ausgerichteten Fotowettbewerbs „Das Schöne liegt so nah im Gemeindebau“ über seine Teilnahme an der Silent Gehsteig-Disco an der Neuen Donau, an den Wiener Wochen für Beruf und Weiterbildung (organisiert vom WAFF), die Spatenstiche für die Schule in der Meißnergasse und für die Veranstaltungshalle in der Seestadt bis hin zur Eröffnung des unter Mitwirkung der Jugendlichen und der Agenda Donaustadt fertiggestellten Jugendsportplatzes Konstanziagasse, eines Trinkbrunnens am Rennbahnweg, eines Trinkbrunnens in der Hundezone am Dolfi-Gruber-Weg und der Aufstellung des ersten Solar-Mistkübels in der Donaustadt (U1-Kagran). Eine wichtige Information betraf den Bildungscampus Berresgasse (Scheedgasse 2), wo nun ein ganztägiges Angebot an verschränktem Vor- und Nachmittagsunterricht sowohl für die Volksschule als auch die NMS zur Verfügung steht.

Budget 2021

Bezirksrat Fleissner (Vorsitzender des Finanzausschusses) gibt sodann einen Einblick in das Budget 2021, wobei er vorneweg auf dessen Abbildung auf der Homepage verweist. Vorschläge der Dienststellen und der anderen im Bezirksparlament vertretenen Fraktionen wurden im Laufe der Budgeterstellung berücksichtigt. Insgesamt stehen der Donaustadt etwas mehr als € 25 Mio. zur Verfügung, das Gros davon (€ 8,3 Mio.) ist für Schulen, Kindergärten und -Spielplätze (Neubau und Sanierung) vorgesehen. 70% der Ausgaben für Schulerhaltung und -sanierung werden dem Bezirk von der Stadt refundiert.

Eigens erwähnt werden folgende Zahlen:
* Der Budgetposten für kulturelle Jugendbetreuung wird auf Verlangen der NEOS von € 327.000 auf € 340.000 erhöht, wobei die zusätzlichen Mittel v.a. dem Jugendparlament zugutekommen sollen.
* Das Budget für Park- und Gartenanlagen wird von € 250.000 auf € 500.000 verdoppelt und ist für klimafreundliche Maßnahmen wie die Vermeidung von Hitzeinseln vorgesehen.
* Für Baumpflanzungen stehen statt bisher € 370.000 nunmehr € 470.000 zur Verfügung (die Kosten für die Pflanzung eines Baums betragen ca. € 1.000), d.h. es wird 100.000 Bäume mehr im Bezirk geben. Auch für die Grünflächenbetreuung soll mehr Geld in die Hand genommen werden.
* Der Kanalbau im Bezirk ist abgeschlossen, die Kosten wurden zum Teil von der Stadt übernommen, sodass es ein Einsparungsvolumen von € 2,9 Mio. gibt, das man nun nicht mehr ‚ersparen‘ muss.

Das Budget wird einstimmig angenommen, wobei die Opposition kritisiert, dass die Transparenz ungenügend sei und man sich schon auf die weisungsfreie Antikorruptionsstelle, den Einsatz digitaler Medien zur Online-Übertragung der BV-Sitzung und die angekündigte Fragestunde für Bürger*innen am Beginn der BV-Sitzung freue – alles Forderungen, die die KPÖ Donaustadt schon lange stellt.

Siehe Kaktusberichte vom 28.08.2010 , vom 17.09.2015 und vom 16.08.2020

Antrag der SPÖ: Für Zeit!Raum 22, den Jugendtreff in der Polgarstraße – er bietet ein umfassendes Programm für Kinder von 5 bis 14 und Jugendliche bis 21 Jahre inklusive Kochen, Kreativangebote, Sport, Museumsbesuche – sollen € 350.900 zur Verfügung gestellt werden. Der Antrag wird von allen Mandatar*innen außer jenen der ÖVP angenommen, die findet, dass die Landesschülervertretung nicht eingebunden wurde und die Ausgaben für nur einen Jugendraum zu hoch seien.

Kein Bekenntnis zu einer mutigen Aufnahmepolitik für Flüchtlinge

Die Grünen bringen die Resolution zur Unterstützung der Initiative „Sicherer Hafen“ (siehe: seebruecke.org) ein, die die Bezirksvertretung dazu auffordert, sich dazu zu bekennen, dass die Donaustadt ein sicherer Hafen für Flüchtlinge, die unter unmenschlichen Bedingungen im Flüchtlingslager Moria untergebracht sind, ist. Mit den aufrüttelnden Worten „Keine Stadt muss am Wasser liegen, um ein sicherer Hafen zu sein“, schließt der Klubsprecher der Grünen, Wolfgang Orgler, seinen Appell an die versammelten Bezirksvertreter*innen. Der Süßenbrunner Vertreterin der SPÖ im Bezirk und Vorsitzenden der Agenda Donaustadt, Cornelia Trinko, fällt die Aufgabe zu, die Ablehnung dieses Antrages durch ihre Partei zu begründen, eine Aufgabe, der sie sehr beredt nachkommt: Inhaltlich stimme man dem Antrag wohl zu, die Stadt Wien hätte sogar Bereitschaft signalisiert, hundert Kinder aus Moria aufzunehmen (was wohl Kinder ohne ihre Eltern tun, fragt sie nicht) und somit bewiesen, dass sie eine humanitäre Stadt sei. Besonders störe sie aber die Doppelmoral der Grünen: Erstens hätte die Bezirksvertretung in dieser Frage keine Handlungskompetenz und zweitens ließen die Grünen als politisch Verantwortliche im Bund ihre Solidarität mit den Geflüchteten in Moria missen. Nicht jede Gemeinde könne eigenständig Flüchtlingspolitik machen, dafür brauche es Rahmenbedingungen, die vom Nationalrat zu schaffen wären. Die Resolution sei daher ein Feigenblatt. Die Grüne Mandatarin Barbara Boll kontert, dass die Grünen auf Bundesebene eine Koalition mit Türkis eingegangen seien, weil sie eine Ökologisierung der Gesetzeslandschaft vorantreiben wollten; außerdem gehe die Forderung nach Aufnahme der hundert Flüchtlingskinder auf die Grünen zurück, wobei sie auf die Initiativen von Faika El-Nagashi, Ewa Ernst-Dziedzic und Michel Reimon im Nationalrat verwies, während die SPÖ sich aus Angst vor Stimmenverlust an die FPÖ immer in Schweigen gehüllt hätte. In der darauffolgenden Abstimmung ziehen es einige Mandatar*innen der SPÖ vor, den Raum zu verlassen, da sie bei diesem Antrag nicht mit ihrer Partei stimmen wollen. Letztlich stimmen nur Grüne, NEOS und BIER für die Resolution. Den anderen ist das Buch „Die Schande Europas: Von Flüchtlingen und Menschenrechten“ von Jean Ziegler zu Weihnachten zu wünschen und ans (hoffentlich vorhandene) Herz zu legen.

„Freie Fahrt für freie Bürger“ (FPÖ): Autos, Autos, Autos

Insgesamt 8 von der FPÖ eingebrachte Anträge befassen sich mit der Verkehrssituation im Bezirk, wobei überdeutlich wird, dass es in der Wahrnehmung dieser – und auch anderer – Partei/en nur Autofahrer gibt und dass die FPÖ versucht, Einigkeit mit der Bezirksvorstehung betreffend des Pop-up-Radweges in der Wagramer Straße für Vorstöße bei anderen Projekten zu nutzen. „Keine Pop-up-Radwege auf Kosten von Parkplätzen“ (alle dafür außer Grüne, NEOS und BIER); „Keine Verschwendung öffentlicher Gelder für unnötige Maßnahmen wie Pop-up-Radwege“(Abstimmungsverhalten wie zuvor); „Freie Fahrt für freie Bürger: Die Stadtstraße soll unverzüglich errichtet werden“ (Abstimmungsverhalten wie zuvor); „Die U2 soll bis zur Stadtgrenze verlängert werden“ (mehrheitlich abgelehnt): Von den NEOS eingebrachte Argumente dagegen sind z.B., dass die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht stimme, weil eine U-Bahn zu bauen um vieles teurer wäre als die Errichtung neuer Straßenbahnlinien, die Verdichtung von Intervallen für Busse, die Schaffung von mehr Umsteigmöglichkeiten oder die Errichtung einer neuen, über die Gleisanlagen von General Motors führenden Lokalbahn von Aspern-Nord über Essling und Groß-Enzersdorf nach Orth; „Die Bezirksvertretung spricht sich gegen flächendeckende kostenpflichtige Parkraumbewirtschaftung aus“ (gegen die Stimmen von Grünen, NEOS und BIER angenommen); „Die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h auf leistungsfähigen Straßen (wie der Quadenstraße, der Siebenbürgerstraße und der Langobardenstraße) sollen unverzüglich aufgehoben werden“ (nur Team HC und FPÖ dafür); „Die Errichtung der Stadtstraße und die dadurch zu erwartende Neugestaltung der Verkehrsströme macht die Erarbeitung eines Verkehrskonzepts für das Lobau-Vorland notwendig“ (SPÖ, ÖVP, FPÖ, Team HC dafür); „Der Radweg im Bereich Johann Kutschera-Gasse/Ostbahnbegleitstraße soll entfernt, stattdessen sollen Parkplätze geschaffen werden“ (nur FPÖ und Team HC dafür). Anmerkung Abgeordneter Andreas Dvorak (FPÖ): „Wenn die Grünen nicht zustimmen, weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin“.

Das Team HC bringt einen Antrag ein, wonach vor Schulen Möglichkeiten geschaffen werden sollen, dass Kinder gefahrlos aus dem elterlichen Auto aussteigen können, Vorbild seien hier die Privat- und Diplomatenschulen, vor denen es schon jetzt keine Haltverbote gäbe; in Corona-Zeiten sei es ohnehin angebracht, überfüllte Öffis zu meiden. Explizit will man diesen Antrag als Reaktion auf das Autofahrer-„Malträtierungsprogramm“ von Rot-Grün in den letzten zehn Jahren verstanden wissen. Der Antrag wird der Verkehrskommission zugewiesen.

Sehr selektive Wahrnehmung der für den Erhalt der Lobau erforderlichen Schutzmaßnahmen

Gegen Ende der Sitzung befassen sich die Versammelten mit einem Antrag der NEOS für „Maßnahmen, um das fortschreitende Austrocknen der Lobau hinauszuzögern“, ein Abänderungsantrag der Grünen, dass es nicht nur um Verzögerung, sondern um Verhinderung gehe, wird angenommen. Alle finden, dass Wien den uns anvertrauten Nationalpark schützen müsse und stimmen dem Antrag zu. Nicht erwähnt wird natürlich, welche Auswirkungen die Errichtung eines Tunnels durch dieses Gebiet auf die Wasserversorgung des gesamten Areals hat. Bauarbeiten, Wasserzuteilungen und Ausbaggerungen hätten mit Bedacht vorgenommen zu werden, fordern die Grünen.

Insgesamt wäre es hilfreich, die Anträge und Anfragen bereits im Vorfeld zu kennen oder während der Sitzung ausgehändigt zu bekommen, um dem Sitzungsgeschehen besser folgen zu können. Auch hat mich gewundert, dass es bei Abstimmungen die Möglichkeit der Stimmenthaltung nicht gibt. Dies würde zweifelsohne die Entscheidungsprozesse wesentlich entschleunigen und dafür sorgen, dass Entscheidungen nach reiflicher Überlegung getroffen werden.