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Frauen und Kinder in Zeiten von Corona

  • Samstag, 22. August 2020 @ 09:41
Keine halben Sachen
Ein KAKTUS-Beitrag von Hilde Grammel*)

Ich sehe die vielen Kinder und ihre Mütter in der Seestadt und frage mich, wie sie alle wohl den Corona-Lockdown überstanden haben. Und weiters: Wie es Frauen in unserer Gesellschaft ganz allgemein während dieser Zeit ergangen ist. Was ja unter „normalen“ Umständen schon eine Herausforderung darstellt – die Isolation des Lebens als Hausfrau und Mutter, die große, oftmals allein getragene Verantwortung für ein anderes Menschenwesen, die psychischen Grenzen, an die frau durch die ständige Konfrontation mit den Bedürfnissen eines anderen und Zuständigkeit dafür stößt, die materiellen und finanziellen Sorgen – war für viele nochmals verschärft durch abgesperrte Parks und geschlossene Kindergärten, durch neue Zuständigkeiten wie Home Schooling und Home Office und nicht zuletzt durch aggressive, wenn nicht gar gewalttätige Partner.

Andererseits hat Corona gezeigt, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeit überwiegend von Frauen verrichtet wird, entweder kostenlos oder schlecht bezahlt, während für das politische und gesundheitliche Krisenmanagement ausschließlich Männer zuständig waren. Frauen bekamen also noch mehr Arbeit aufgebürdet als „normal“, wurden bestenfalls mit Einmalzahlungen abgefertigt, wenn ihre Arbeitgeber freundlich waren, ansonsten musste es reichen, als „Heldinnen des Alltags“ besungen und beklatscht zu werden. Die großen Gelder flossen woanders hin, in Unternehmen, die Arbeitsplätze sichern, hieß es. Während Konzernchefs ihre Arbeiter*innen in Kurzarbeit oder in die Arbeitslosigkeit schickten, zahlten sie sich selbst Dividenden in Milliardenhöhe aus und beantragten staatliche Förderung.

*) Kandidatin für die Donaustädter Bezirksvertretung

Echt jetzt: Nur Lohnarbeit ist Arbeit?

Zeit, einige grundsätzliche Überlegungen anzustellen. Woher kommt es, dass Männer für ihre Arbeit einen Lohn bekommen, Frauen hingegen Kinderbetreuungsgeld und Dazuverdienst? Und wer profitiert davon? Unser gesamtes Wirtschaftssystem basiert auf dieser Schlechterstellung von Frauen und auf der Ausbeutung ihrer Arbeit, die als ein der weiblichen Natur entsprechender Liebesdienst verklärt wird. Die Verschleierung geht sogar so weit, dass Frauen selbst den Verschleiß ihrer Arbeitskraft zwar am eigenen Leib spüren, aber ihre Arbeit nicht als Beitrag für die Gesellschaft erkennen können.

Womit wir bei unserem Sozialstaat und der Sozialdemokratie angelangt wären: Die Errungenschaften des Sozialstaats wurden in vielen politischen Kämpfen den Arbeitgebern abgetrotzt, in Auseinandersetzung mit der Arbeiterschaft. Daraus ergeben sich Lohn- und Gehaltsabkommen, Zahlungen ins Sozialversicherungssystem mit Versicherungsschutz im Falle von Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit, Unfällen, kostenloser Zugang zu Bildung usw. Voraussetzung für dieses System ist die Lohnarbeit. Auch das Karenz- und heutige Kinderbetreuungsgeld sind Ergebnisse dieser Kämpfe. Die Sozialdemokratie hat von Beginn ihrer Existenz an auf diesen Kompromiss mit den Arbeitgebern ihrer jeweiligen Länder gesetzt und tut dies bis heute bzw. versucht es. Was sie dabei übersah, war die Aneignung von unbezahlter, nichtindustrieller Arbeitskraft und die Ausbeutung von Ressourcen aus anderen Kontinenten, die allesamt in die heimische Wirtschaft und indirekt auch in den Sozialstaat einfließen. Was ebenso übersehen wurde, ist die Tatsache, dass Wirtschaft nicht unendlich wachsen kann, da die Ressourcen des Planeten begrenzt sind.

Die ganze Arbeit sehen!

Kommunist*innen hatten immer das Ziel einer anderen Wirtschaftsordnung vor Augen, einer, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben war, in der nicht das Profitinteresse der Besitzenden bestimmt, was produziert wird und unter welchen Bedingungen. Auch für uns dauerte es lange, bis wir Arbeit als mehr sahen als Lohnarbeit und somit die im Kapitalismus geleistete unbezahlte Frauenarbeit in den Blick bekamen. Von einer kritischen Haltung zu Natur und Umwelt ganz zu schweigen. Was wir daraus lernen können, ist, dass eine Änderung der Besitzverhältnisse alleine nicht ausreicht, um die Welt zu verändern und künftigen Generationen bewohnbar zu hinterlassen.

Womit wir wieder bei den Frauen wären. Aufgrund ihrer speziellen Verortung im kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem sind sie oft und früh zu anderen Schlüssen gekommen, was notwendige politische Weichenstellungen betrifft als die geschätzten Genossen. Die deutsche feministische Marxistin Frigga Haug zum Beispiel hat mit der „4-in-1-Perspektive“ ein anderes Modell des Lebens und Arbeitens entwickelt. Demnach sollen Menschen nur vier Stunden pro Tag lohnarbeiten, die restliche Zeit teilt sich auf in: vier Stunden für Familien- und Sorgearbeit, vier Stunden für persönliche Entwicklung (Bildung, künstlerische Aktivität etc.) und vier Stunden für gesellschaftliches und politisches Engagement. Damit hat sie erstens die ganzen Bereiche menschlichen Lebens in den Blick genommen und zweitens erkannt, dass das Gerede davon, dass uns die Arbeit ausgeht, eine Irreführung ist. Es liegt an uns, diese Überlegungen aufzugreifen und damit Politik zu machen, am besten gemeinsam mit vielen Menschen!

*) Hilde Grammel – ist Kandidatin für die Bezirksvertretung