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Von einer besseren Welt träumen!

  • Freitag, 25. September 2015 @ 09:56
Brief eines Lehrers - von Karl Gugler

Immer zu Schuljahresbeginn erhalte ich einen Haufen 14-Jähriger anvertraut mit dem Auftrag, ihnen Grundbegriffe der Chemie beizubringen. Nach den Rückmeldungen, die ich von Schülern und Eltern erhalte, gelingt mir das offenbar ganz gut. Besonders interessant für mich sind bei diesem Unterricht jene Momente, wenn Schüler Fragen zur Welt der Erwachsenen, zum Arbeitsleben stellen. Das brennt richtig unter den Nägeln der Jugendlichen und das ist ja auch logisch, wenn man die ersten tollpatschigen Schritte in diese Welt tut. „Lebenskunde“ habe ich solche Unterrichtsabschnitte in der Zwischenzeit getauft. Dieses „Fach“ haben sie sehr gerne. Da habe ich die höchste Einschaltquote.

„Lebenskunde“ enthält Kapitel zur Partnerfindung, Kapitel zur Umwelt und Kapitel zum Arbeitsleben. Zu diesem letztgenannten Thema fällt mir in den letzten Jahren kaum noch Positives ein. Das wäre aber wichtig, weil es den Optimismus der Kinder verstärken würde. Ich kann ihnen fast nur noch Negatives aus der Erwachsenenwelt darüber erzählen.

Jugendarbeitslosenquote bei 10,5% (Eurostat, 28. Mai 2015)

Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen in Österreich hat im Mai 2015 die 10 % Schwelle überschritten. Einem Zehntel der ganz jungen „Erwachsenen“ wird also mitgeteilt, dass sie sich so etwas wie den „Traum“ eines Arbeitsplatzes gleich abschminken können. Dass das ihren Zugriff auf die glitzernde und hoch begehrte Warenwelt schwer gefährdet, das muss ich ihnen erst gar nicht erklären. Dass sie an die coolen und geilen Handies und i-Pads nur über einen Arbeitsplatz und den dabei ausgezahlten Lohn herankommen – das wissen sie auch. Ihr Interesse richtet sich demnach und folgerichtig auf Jobs, die viel Geld bringen. Dass anhaltende Schulerfolge sie diesem Ziel näher bringen können, leuchtet ihnen ein.

Angst schleicht sich allerdings in ihre Köpfe, wenn ich ihnen dann noch erzählen muss, dass die Durchschnittslöhne aber sinken und dass politisch geplant ist, selbst die 65-Jährigen noch 2 Jahre länger arbeiten zu lassen, was die Chancen zur Zielerreichung noch zusätzlich mindern könnte.

Neues Schuljahr, neue Chance?

Aber es ist ja Schulbeginn. Eine neue Chance tut sich also auf. Es ist wie der Kauf eines Lotterieloses. Der Besitz eines Loses versetzt einen in euphorische Zustände, obwohl doch bei Anwendung der Vernunft klar sein müsste, dass allein die Erzielung eines Treffers diese Euphorie rechtfertigen würde. Wenn ich mir die aktuellen Rahmenbedingungen der Lehrerarbeit und des Schulbetriebs ansehe, dann erscheint mir der Vergleich der „Chancengleichheit“ in der Bildung mit einer Lotterie als durchaus gerechtfertigt. Hier wie da wird man von der Teilnahme nicht ausgeschlossen, wenn man einmal eine Niete zieht. Diese Lotterie zieht sich ja über mehrere Jahre. Die rote Karte erhält man erst, wenn sich die Misserfolge gehäuft haben. Das beschreibt übrigens in der Zwischenzeit auch das der Sozialdemokratie sehr nahe stehende Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vom 9.5.2015. Titel: „ … und raus / rauf bist du! Die Lüge von der Chancengleichheit.“

Der Traum

Eine Gesellschaft, in der nicht in der Schule festgelegt wird, wer zu Geld kommt und wer nicht, eine Gesellschaft, in der die anfallende Arbeit auf alle aufgeteilt wird. Jeder bekommt eine sinnvolle Tätigkeit, die ihm Inhalt spendiert. Man müsste entgangenem Lebenssinn nicht mehr hinterherhecheln und kompensieren – mit (teuren) Urlauben, fetten Autos oder Träumereien darüber, was man nicht noch alles unternehmen werde, wenn endlich die Pension da ist. Das wäre eine schöne Welt. Warum sollte sie nicht erreichbar sein, wenn WIR es wollen? Einfache Antwort: Weil SIE es verhindern – die Kapitalisten! Wie lange eigentlich noch?

Mit freundlichen Grüßen
Karl GUGLER
schulprobleme@kpoe.at