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Von Politik, Prognosen und Kaffeesudleserei

  • Donnerstag, 4. Dezember 2014 @ 08:43
von Margarete Lazar (parteilos, arbeitet im Kaktusteam mit)

Bekanntlich hat auch Johannes Kepler seinen Lebensunterhalt eher mit Astrologie als mit Astronomie verdient. Astrologen waren an Königs- und Kaiserhöfen unverzichtbar, mussten sie doch sagen, wann geheiratet werden soll, und vielfach auch, wann ein Herrscher seinen Tod zu erwarten hätte. Stellte man sich einigermaßen geschickt an, war das ein einträglicher Beruf. Stimmte die Voraussage nicht, war entweder der Astrologe schon tot oder der Herrscher oder man vergaß geflissentlich, die Prognose in den Wirrnissen der Zeit zu überprüfen. Eine ähnliche Rolle scheinen heute Wirtschaftsforscher und Demografen zu spielen. Auch ihre Voraussagen werden häufig von der Realität eingeholt, ohne dass sie deswegen besondere negative Folgen für sich selbst zu befürchten hätten. Dies gilt besonders für die Demografen, die sich in ihren Voraussagen weit in die Zukunft wagen, denn häufig sind sie dann entweder pensioniert oder bereits den Weg alles Irdischen gegangen.

Je nach Opportunität werden jedoch ihre Prognosen zur politischen Entscheidungsfindung herangezogen und das ist zu hinterfragen...

...denn „die Angabe einer konkreten Zahl für die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist problematisch, da es bis jetzt keine eindeutige mathematische Definition von Wahrscheinlichkeit gibt...vielmehr nur für gewisse Fälle Regeln, wie man Ereignissen sinnvolle Wahrscheinlichkeiten zuordnen kann. Es ist sogar umstritten, ob es überhaupt einen objektiv existierenden genauen Wert für die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses gibt. Somit ist die Annahme eines Wertes für die Wahrscheinlichkeit eine nützliche Fiktion....“ (www.mathe-online.at/nml/materialien/SkriptumBlaha/KAP-15.pdf ).

Besonders deutlich scheint mir dies zur Zeit bei diversen Studien über das Bevölkerungswachstum von Wien zu sein, die der Stadt ja je nach Laune mehrere hunderttausend neue Bewohner für die nächsten 20 Jahre voraussagen. Das führt bei Investoren und der städtischen Verkehrsplanung, insbesondere trotz aller gegenteiliger Beteuerungen beim Straßenausbau im nördlichen Teil Wiens, zu hektischer Betriebsamkeit. Ein Monsterprojekt nach dem anderen wird angedacht oder bereits aus dem Boden gestampft, weil „die Stadt ja so wächst.“

Von ernsthafter Auseinandersetzung mit möglichen Prognosefehlern hört man hier kaum etwas. Es könnte ja z.B. sein, dass jüngere Werte überbewertet werden oder die Neigung vorherrscht, Informationen so auszuwählen, zu suchen und/oder zu interpretieren, dass sie den eigenen Wunscherwartungen entsprechen.

In Erinnerung darf gerufen werden, dass man Wien vor dem Ersten Weltkrieg einen Bevölkerungsanstieg auf vier Millionen prognostiziert hat und in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von einer sterbenden Stadt sprach. Zur Zeit wachsen wir also wieder unaufhörlich, daher muss gebaut werden, alte schützenswerte Bausubstanz kann nicht mehr geschützt werden, und Straßen müssen quer durch dicht besiedeltes Gebiet gelegt werden. So die gängige Lesart der Stadtregierung.

Die Frage „Wem nützt‘s?“ darf erlaubt sein, und sollte die Prognose nicht stimmen, verweisen wir auf das Zitat von Paul Schmidt, dem Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, von der ZIB 24 vom 22. 9. 2014: „Prognosen, die die Zukunft betreffen, sind von Haus aus sehr schwierig.“

Wer hätte das gedacht?