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Eine kurze Geschichte zur häufig versprochenen Lärmentlastung durch Autobahnen und Schnellstraßen.

  • Donnerstag, 24. Juni 2010 @ 09:23
Keine neuen Autobahnen! Ein Gastbeitrag von DI Herbert Hahn, Lärmexperte der überparteilichen Bürgerinitiative „Rettet die Lobau – Natur statt Beton“

Viele Menschen, die im Nahbereich von Durchzugsstraßen in Städten und Ortschaften leben, leiden unter Verkehrslärm. Dies ist sowohl durch Befragungen als auch durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt.

Sowohl die Wirtschaft (Speditionsunternehmen, Bauunternehmen, produzierende Unternehmen, Handel) als auch die Politik sehen häufig in der Errichtung von Hochleistungsstraßen die grundsätzliche Lösung.

Lösen Hochleistungsstraßen das Lärmproblem?

Den Menschen an den Durchzugsstraßen wird eine massive Entlastung von den Lärmstörungen und anderen Belastungen versprochen. Damit sichern sich die Politik (Bürgermeister, Landespolitiker, usw.) und die ASFINAG als Errichter die Zustimmung dieser Menschen zu diesen Projekten. Leider werden in den zu diesen Zwecken abgehaltenen Informationsveranstaltungen nicht die physikalischen Tatsachen dargestellt. Technisches Hintergrundwissen – kurz gefasst!

Eine Straße ist eine sogenannte Linienschallquelle. Deren Lärmemission hängt von mehreren Faktoren ab. Diese sind im Wesentlichen die Anzahl der Fahrzeuge, deren Schallemission je Fahrzeug von der vorgegebenen Geschwindigkeit oder des Geschwindigkeitsprofiles auf einem ebenfalls vorgegebenen Straßenbelag abhängt. Ohne Änderung der Zusammensetzung des Gesamtverkehrs aus unterschiedlichen Fahrzeugtypen (Lkw, so genannte lärmarme Lkw, Pkw, Motorräder) und ohne Änderung der Geschwindigkeit auf der Straße ergibt sich der folgende relativ einfache Zusammenhang: Bei Verdopplung der Verkehrsmenge resultiert eine Pegelerhöhung um 3 dB. Bei Halbierung der Verkehrsmenge eine Verminderung der Luftschallemission durch die Straße als Schallquelle um 3 dB. Die Luftschallimmissionen bei den Anrainern verändern sich ohne bauliche Veränderungen im gleichen Ausmaß. Im Rahmen von Genehmigungsverfahren und Beurteilungen von Verkehrsprojekten wird häufig davon ausgegangen, dass eine Anhebung der Luftschallimmission um bis zu 2 dB von den Anrainern nicht als störend wahrgenommen wird, also „irrelevant“ ist. Im Umkehrschluss ist also davon auszugehen, dass eine Entlastung um 2 dB ebenso „irrelevant“ ist. Geht man von dem üblichen Geräuschniveau vor den Fassaden von Wohngebäuden an stark belasteten Straßen aus, kann grob gesagt werden, dass eine Halbierung des subjektiven Lärmempfindens eines Menschen der Senkung des Schallpegels um etwa 10 dB entspricht. Erst eine derartige Verminderung des Verkehrslärms kann also als deutlich und „relevant“ bezeichnet werden.

Zurückkehrend zu dem vorhergehenden Beispiel entspräche dies einer Verminderung der vorhandenen Verkehrsmenge (z.B. der Maßgeblichen stündlichen Verkehrsstärke MSVL) auf der Durchzugsstraße auf ein 1/10 des ursprünglichen Wertes. Eine derartige Entlastung durch den Bau von Schnellstraßen und Autobahnen ist nur in wenigen Fällen vorstellbar (z.B. wenn die Autobahn parallel zur bisherigen Durchzugsstraße geführt wird, keine Bemautung erfolgt, ein starker Rückbau der Durchzugsstraße erfolgt und die Autobahn entsprechend viele Anbindungen aufweist).

Autobahnen sind auch „großflächige“ Lärmverursacher!

Bei der Betrachtung der Lärmproblematik darf die nun hinzukommende großflächige Erhöhung der Lärmimmissionen auf bisher weniger stark betroffene Gebiete durch die neue Autobahn nicht vergessen werden. Durch die Errichtung von neuen Hochleistungsstraßen wird das gesamte Verkehrsaufkommen in deren Umfeld gesteigert (Diese Umstände belegen entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen und werden auch in UVP-Verfahren (Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren) im Allgemeinen nicht bestritten). Diese Erhöhung des Verkehrsaufkommens gilt auch für Teilabschnitte von Zubringerstraßen. Ausnahmen von diesen Erhöhungen ergeben sich natürlich durch wirtschaftliche Aussetzer wie derzeit. Diese wesentlichen Aussagen werden leider in den eingangs erwähnten Informationsveranstaltungen häufig „vergessen“ oder nur nebenbei erwähnt.

Dadurch werden jene Bewohner, die sich von den neuen Straßen eine Entlastung ihrer unbefriedigenden Wohnsituation erhoffen, gezielt gegen jene Menschen ausgespielt, die von den Luftschallimmissionen der neu zu errichtenden Projekte betroffen wären. Eine ähnliche Vorgangsweise wird auch bei Versprechungen hinsichtlich der Verminderung von Staus im Kfz-Verkehr gewählt.