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EU-Vertrag: Beistandspflicht und Aufrüstungszwang - Alles ganz anders?

  • Samstag, 5. April 2008 @ 06:22
Frieden Antworten auf Briefe der überparteilichen Donaustädter Friedensinitiative

Die "Friedensinitiative 22" hatte sich an den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und die Außenministerin gewandt, um die Besorgnis und Bedenken rund um den EU-Reformvertrag zu formulieren. Die Antworten darauf ließen viele Fragen offen. Dabei ging es vor allem um die wachsende Militarisierung der EU durch Beistands-, Aufrüstungsverpflichtungen, Auslandseinsätze und deren Folgen auf die Noch-Neutralität Österreichs.

Kanzler Gusenbauer konnte oder wollte nicht auf das FI-Schreiben reagieren. Ist ihm das Thema unwichtig und die Argumente der FI unbedeutend? Im Namen des Herrn Bundespräsidenten kam hingegen durch einen seiner engsten Berater ein Antwortschreiben.

Aus dem Außenministerium kam ein umfangreiches Schreiben, das sehr detailliert auf die Argumente der FI einging. Im Antwortschreiben aus dem Büro des Bundespräsidentenn kamen drei Punkt zur Sprache:

  • Zuerst erfuhr man, dass der nunmehrige "Vertrag von Lissabon" mit Beschluss der Bundesregierung vom 11.01.2008 dem Nationalrat vorgelegt wurde. Dass dieses Dokument aber Anfang April endgültig vom Parlament abgesegnet werden soll, wird nicht erwähnt.
  • Dann gab es den Hinweis auf die Informationsquelle, aus der die FI zitiert hatte. "Offensichtlich", so meine der Vertreter des Bundespräsidenten, "hatten Sie einen Text, der vor der Ãœberarbeitung durch die "Sprachjuristen" hergestellt wurde." Auf der Homepage des Parlaments gäbe es jetzt den kompletten Inhalt des Vertrages abzufragen. Nur: Die FI hatte sich auf die offizielle Homepage des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten berufen. Wie viele verschiedene Fassungen gibt es noch? Im dritten Punkt wurde vermerkt, dass "Beschlüsse zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission" vom "Rat einstimmig auf Vorschlag des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik oder auf Initiative eines Mitgliedsstaates erlassen" würden.
    Und: Bei einem bewaffneten Angriff auf einen Mitgliedsstaat müssten die anderen "alles in ihrer Macht stehende tun um Hilfe und Unterstützung im Einklang mit Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen" zu leisten. Dies ließe "den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten unberührt". So würde auf " die aus der Neutralität entspringenden Verpflichtungen Rücksicht" genommen.
    Also: Da muss man das andere Unionsmitglied mit allen Mitteln unterstützen und dann wieder doch nicht? Eine Loyalitätspflicht lässt keinen Spielraum für aktive Neutralitätspolitik. Ein UNO-Beschluss für alle möglichen (militärischen) Missionen ist dafür auch nicht Bedingung. Und von der massiven Aufrüstungsverpflichtung ist in dem Schreiben auch überhaupt keine Rede. EU-Missionen werden durch den einen Hohen Vertreter der Union, der für Außen- und Verteidigungs(sprich: Kriegs)politik zuständig ist, vorgeschlagen und vom Rat beschlossen.
  • Aus dem Außenministerium kam ein umfangreiches Schreiben, das sehr detailliert auf die Argumente der FI einging.

    So heißt es dort zum Thema "Neue Machtzentrale in Brüssel", dass der Hohe Vertreter nur zur besseren Koordinierung außenpolitischer Aktivitäten in seiner Position gestärkt würde. Im neuen Vertrag heißt es dazu, dass dieser "mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission" als Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ernannt wird. Er stützt sich dann auf einen "Europäischen Auswärtigen Dienst" und auf ein "Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee" und hat damit die "politische Kontrolle und strategische Leitung von Krisenbewältigungsoperationen im Sinne des Artikels 43". Wenn das keine neue Machtkonzentration ist?

    Zu sogenannten "Friedensmissionen der EU in Drittländern, zu denen Österreich in keinem Fall verpflichtet werden kann", heißt es im Vertrag: Solche Missionen "werden aus einem aus Beiträgen der Mitgliedsstaaten gebildeten Anschubfonds finanziert." Die Aufbringung dieser Mittel kann mit "qualifizierter Mehrheit" im Rat beschlossen werden. Im Art. 42 gibt sich die EU selbst die Ermächtigung zu internationalen Interventionen. So heißt es dort: "Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie sichert der Union die auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt die Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedsstaaten bereit gestellt werden."

    Das heißt also: Eigenmächtige Militäreinsätze in aller Welt mit Unterstützung aller Mitgliedsstaaten auch ohne UNO-Mandat. An anderer Stelle schreibt der Vertreter der Außenministerin, dass es bei der "Verbesserung der militärischen Fähigkeiten"und der Verpflichtung dazu "nicht um ein "Mehr" an Rüstung ginge, sondern die vorhandenen militärischen Kapazitäten besser auf die friedenspolitischen Aufgaben im Rahmen der GSVP einzustellen." Dazu heißt es, unter anderen, im Vertrag: Die soll "Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten der Mitgliedsstaaten ermitteln"und an der "Bewertung der Erfüllung" der "eingegangen Verpflichtung" mitwirken. Auf die "Harmonisierung des operativen Bedarfs" und die Festlegung "effizienter und kompatibler Beschaffungsverfahren" ist hinzuwirken. "Multilaterale Projekte, ...durch die die Ziele im Bereich der militärischen Fähigkeiten erfüllt werden", sollen vorgeschlagen und in die Tat umgesetzt werden. "Die Forschung auf dem Gebiet der Verteidigungstechnologie" soll unterstützt werden, um den "künftigen operativen Bedarf gerecht" zu werden. "Zweckdienliche Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors" sollen durchgeführt werden. Und weiter: "Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern."

    Wenn das keine verstärkte militärische Aufrüstung ist?

    Und abschließend wiederholt der Briefautor die altbekannte Feststellung: "Eine Volksabstimmung wäre über die Frage, ob Österreich den Vertrag genehmigen soll, nur unter der Voraussetzung zwingend abzuhalten, dass er eine Gesamtänderung der österreichischen Bundesverfassung bewirkt." Selbst als Laie kann man beim Studium des bekannten Textes des Vertrages von Lissabon erkennen: An allen Ecken und Enden des Dokuments, besonders aber im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik, gibt es Eingriffe in eigenstaatliche Belange, sowie Ergänzungen und Veränderungen durch übergeordnete EU-Vorschriften.

    Wenn der Nationalrat über Anträge auf Abhaltung einer Volksabstimmung beraten und sich - mit großer Mehrheit -dagegen entschieden hat, so haben die Abgeordneten, über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, sich selbst das Mandat zur Beschlussfassung über diesen entscheidenden Vertrag erteilt. Der Vollständigkeit halber sei abschließend noch erwähnt, dass die "Friedensinitiative 22" auch an den EU-Ombudsmann eine Beschwerde richtete. Darin attestierte man die mangelnde Information über den Vertrag und die Ablehnung einer Volksabstimmung durch die verantwortlichen Gremien (nicht nur in Österreich). Der Adressat dieses Schreibens musste, in einer Antwort, bedauern, dass er laut geltendem EU-Recht, für derlei Beschwerdefälle nicht zuständig und einzugreifen nicht berechtigt wäre. Er verwies auf die EU-Kommission und den EU-Petitionsausschuss als mögliche Ansprechpartner.